210
er den Zwang aus. Nachdem er aber Regimentsarzt geworden war und
der Herzog ihm verbot, etwas anderes drucken zu lassen als über Arznei—
kunde, so verließ er sein Vaterland und lebte an verschiedenen Orten. Da
seine een bald großen Beifall fanden, so berief ihn der Großherzog
von Sachsen⸗Weimar nach Jena als Professor und später nach Weimar,
wo er mit Wieland, Herder und Goethe zusammenlebte. Aber sein
äußeres Glück sollte nicht ungetrübt bleiben; er fiel in eine schwere Krank⸗
heit, von der er zwar wieder genas, die ihm aber eine Kränklichkeit zu—
rückließ und seinen körperlichen Zustand für seine ganze Lebenszeit zerrüttete.
Schiller war groß mit etwas militärischer Haltung, die ihm aus der
Akademie geblieben war und seinem Wesen etwas Edles gab. Seine
Nase war gebogen und ziemlich groß, sein langes Haar ins rötliche fallend,
das Kinn krat etwas hervor. Er lebte äußerst mäßig; des Abends be—
gnügte er sich mit Butterbrot und Bier, und doch reichte seine Barschaft
oft zu seinem Unterhalte nicht hin.
Schillers liebste Zerstreuung und Erholung nach angestrengter Arbeit
war ein Spaziergang in Gottes freier Natur; auf einsamen Wegen in
den Laubgängen des Parkes von Weimar konnte man ihn oft, die Schreib⸗
tafel in der Hand, bald stille stehen, bald mit ungleichen Schritten weiter
gehen sehen. Auch auf einer Gondel den Strom hinabzufahren, machte
ihm viel Vergnügen, und sonderbarer Weise besonders bei Gewittern,
wenn der Sturm sich schäumend erhob und die ganze Natur im Kampfe
lag. Den harmlosen Familienfreuden gab er sich gern in den Stunden
der Erholung hin; am liebsten beschäftigte er sich dann mit seinen Kindern.
Bei Tische saß er beständig zwischen zweien derselben; wo er konnte, lieb—
koste und scherzte er mit den Kleinen, die ihn auch dafür unendlich lieb
hatten und gern an ihm hinankletterten, um sich einen Kuß vom geliebten
Vater zu erobern. Wie gegen seine Frau und Kinder, war er auch voll
Liebe gegen seine Eltern unb Geschwister erfüllt. Von seinem einfachen
Leben, welches ohne Anspruch an alle Äußerlichkeiten war, ließ er selbst dann
nicht ab, als ihm der Reichsadel 1802 zuerteilt war. Bescheidenheit und
Anspruchslosigkeit durchzog sein ganzes Wesen und machten seinen Charak—
ter zu einem der liebenswürdigsten.
Diesem edlen Menschen verdanken wir viel. Durch seine Werke
wollte er die Menschen geistiger, stärker, liebreicher machen und sie von
Selbstsucht befreien. Solch erhabenen Zwecken hatte er sein Leben geweihet,
und die Arbeit war seine Lust. „Ich habe freilich viel Arbeit“, schrieb
er an seinen Vater, „aber es fehlt mir dazu nicht an Mut, und der
Himmel segnet sie“.
Bei mancher trüben Erfahrung, die unser Dichter machte, fehlte es
ihm doch auch nicht an Beweisen der Anerkennung und Hochachtung, die
ihm gezollt wurden. Als in Leipzig die „Jungfrau von Orleans“ zum
ersten Male gegeben wurde, war auch Schiller im Schauspiele anwesend.
Kaum siel nach dem ersten Älte der Vorhang nieder, als sich ein tausend⸗
stimmiges: „Es lebe Friedrich Schiller!“ wie aus einem Munde hören ließ
und die Musik begleitend einfiel. Nach Beendigung des Stuckes strömte
alles herbei, um den wunderbaren Mann zu sehen, dessen Geist solch
Meisterwerk geschaffen. Es bildete sich vom Schauspielhause aus bis zu