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XL Das Russische Reich.
ein Theil der alten russischen Kaufleute sehr einfach, hat selbst die
alte Volkstracht, eine Art Ueberrock mit einem Gürtel, eine Pelz¬
mütze und den Bart beibehalten, und zeigt seinen Reichthum nur
bei festlichen Gelegenheiten und in vielen Juwelen, welche über¬
haupt hier ungleich häufiger getragen werden, als in irgend ei¬
ner andern Stadt von Europa. Zahlreich und elend ist die große
Klasse des Pöbels oder der Leibeignen, Musckicks genannt, wel¬
che über alle Begriffe elend leben und dem Trünke noch ungleich
mehr ergeben sind, als der Pöbel von Petersburg. Zu diesen al¬
len kommen noch an 10000 Fremde, meist Deutsche, welche Han¬
del und Gewerbe treiben und größtentheils zum Wohlstände gelan¬
gen. Das ganze Leben in Moskwa hat ungleich mehr als in Pe¬
tersburg einen orientalischen und sinnlichen Charakter, daher auch
hier Wissenschaften und Künste, die Musik etwa ausgenommen,
weniger gedeihen als dort. Die Universität, 1755 gestiftet, zählt
zwar mehrere ausgezeichnete Lehrer, vorzüglich Deutsche, und be¬
sitzt herrliche Sammlungen, meistens Schenkungen reicher Privat¬
personen; aber die Zahl der Studenten ist unbedeutend, nicht viel
über 600. Die russischen Großen verschmähen es, ihre Söhne
studiren zulassen; ein Mittelstand ist kaum vorhanden, und dis
meisten Zöglinge bringen nicht hinlängliche Kenntnisse mit und ha¬
ben überhaupt nicht wie der Deutsche den Sinn für tiefere Stu¬
dien. Die Stadt zerfallt in 4 Haupttheile und 30 Sloboden oder
Vorstädte. Im Mittelpunkte, am Zusammenfluß der Moskwa
und der Neglina und zwischen beiden, erhebt sich auf dem ansehn¬
lichsten Hügel der Stadt mit einem Umfang von mehr als Einer
Stunde, der Kreml, oder die alte Festung, mit 60 Fuß hohen
Mauern und Gräben umgeben; auf der einen Seite umfließt ihn
die Moskwa, auf der andern ist an der Stelle eines sumpfigen
Grabens jetzt ein schöner Spatziergang, der Alexander-Garten, an¬
gelegt. Der Kreml enthält eine große Menge von Gebäuden; man
bemerkt darin: den alten Pallaft der Zaare, worin diese Fürsten
bis auf Peter den Gr. wohnten. Er ward 1367 von Stein aufge¬
führt, 1488 aber erweitert, und bietet eme planlose und unregel¬
mäßige Masse von Gebäuden dar, worin mancherlei Kostbarkeiten
alter Zeiten aufbewahrt werden. Um den Pallaft herum liegen
32 Kirchen; zu ihnen gehört der größte Glockenthurm in Moskwa,
Iwan weliki oder der Große genannt, er trägt 22 Glocken, worun¬
ter eine, 1819 an die Stelle einer von den Franzosen beschädigten,
gekommen ist, welche 4000 Pud (140,000 Pfd) wiegt. Am
Fuße des Thurms, in einer tiefen Grube, sieht man eine noch viel
größere Glocke, von 12000 Pud, von welcher es ungewiß ist, ob
sie jemals aufgehängt gewesen ist. In der Kirche zu'Mariä Him¬
melfahrt werden die Kaiser gekrönt. Ferner enthält der Kreml
noch mehrere Klöster; das Zeughaus, das Gebäude der heiligen
Synode, mit einer Bibliothek, und das prächtige von Catharina '11.