2. Von der Landwirtschaft.
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23. Mai 1763 hatte Eriedrich der Grobe angeordnet, es sollten
durchaus alle Leibeigenschaften sowohl in königlichen, adligen, als
Stadteigentumsdörfern von Stund an gãnzlich abgeschafft werden.
Auch dieser Befehl war nicht zur Ausführung gekommen, weil es
der pommerschen Ritterschaft gelungen war, dem Kõönige die
Wohlthat der Leibeigenschaft und die Schadlichkeit der persön-
lichen Freiheit annehnbar zu machen. Ebensogroß aber wie die
Widerwilligkeit des herrschenden Teils der Bevõlkerung war
auch der Unverstand des dienenden. Die den Domänen Unterthanen
gewährten Freiheiten mubten immer wieder durch königliche
Willensäußerungen bekräftigt werden. Dennoch gelang es, im
aufe der Zeit auf den königlichen Domänen nicht nur die Leib-
eigenschast abzuschaffen. sondern auch den Zwangs-Gesindedienst
gesetzlich aufruheben und einen Anfang damit zu machen, die Ver-
pflichtung der Bauern zum Scharwerksdienst gãnzlich abzulõösen.
Das „preußische Landrecht? hatte zwar jede Leibeigenschaft
für aufgehoben erklärt; aber unter dem Namen der Gutsunter
thãnigkeit war das frühere persõnliche Abhãngigkeitsverhãltnis der
Dienstpflichtigen zu den Gutsherren beibehalten worden.
Diese Gutsunterthãnigkeit wurde erst durch Friedrich Wilhelm III.
beseitigt, der damit der Schöpfer eines freien Bauernstandes
in Preußen wurde. 1807 bestimmte der Kõnig, daß auf sãmtlichen
Domãnen in Zulcunft schlechterdings keine Eigenbehörigkeit, Leib-
eigenschaft, Erbunterthäãnigkeit oder Gutspflicht mehr stattfinden
gollte. Er erklärte alle Domänen Einsassen für freie, von allen
Folgen der Erbunterthänigkeit unabhängige Menschen und auch
enthunden von dem Gesindezwange und Loskaufgelde beim Ver-
ziehen.
Die wichtigsten Bestimmungen jener Anordnung vom Oktober
1807 sind folgende:
„Nach dem Datum dieser Verordnung entsteht fernerhin kein
Unterthãnigkeits-Verhãltnis weder durch Geburt, noch durch Heirat,
noch durch Ubernahme einer unterthänigen Stelle, noch durch
Vertrag.“
„Mit der Veröffentlichung der gegenwartigen Verordnung hört
das bisherige Unterthänigkeits-Verhaltnis derjenigen Unterthanen
und ihrer Weiber und Kinder, welche ihre Bauerngüter erblich
oder eigentüũmlich oder erbzinsweise oder erbpachtlich besitzen,
wechselseitig gãnzlich auf.“