Full text: (Für das 7. und 8. Schuljahr) (Abteilung 2, [Schülerband])

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mein Wesen, And da weiter nichts dabei herauskommen wollte, warf ich 
ein Geschirr auf die Straße und freute mich, daß es so lustig zerbrach. 
Die von Ochsenstein, welche sahen, wie ich mich daran ergötzte, daß ich 
sogar fröhlich in die Händchen patschte, riefen: „Noch mehr!“ Ich 
säumte nicht, sogleich einen Topf und auf immer fortwährendes Rufen: 
„Noch mehri“ nach und nach sämtliche Schüsselchen, Tiegelchen, Kännchen 
gegen das Pflaster zu schleudern. Meine Nachbarn fuhren fort, ihren 
Beifall zu bezeigen, und ich war höchlich froh, ihnen Vergnügen zu 
machen. Mein Vorrat aber war aufgezehrt, und sie riefen immer: „Noch 
mehr!“ Ich eilte daher stracks in die Küche und holte die irdenen Teller, 
welche nun freilich im Zerbrechen noch ein lustigeres Schauspiel gaben, 
und so lief ich hin und wieder, brachte einen Teller nach dem andern, 
wie ich sie auf dem Topfbrette der Reihe nach erreichen konnte, und weil 
sich jene gar nicht zufrleden gaben, so stürzte ich alles, was ich von 
Geschirr erschleppen konnte, in gleiches Verderben. Nur später erschien 
jemand, zu hindern und zu wehren. Das Unglück war geschehen, und 
man haͤtte für so viel zerbrochene Töpferware wenigstens eine lustige 
Geschichte, an der sich besonders die schalkischen Urheber bis an ihr 
Lebensende ergötzten. 
2. Meines Vaters Mutter, bei der wir eigentlich im Hause wohnten, 
lebte in einem großen Zimmer hinten hinaus, unmittelbar an der Haus— 
flur, und wir pflegten unsre Spiele bis an ihren Sessel, ja, wenn sie 
krank war, bis an ihr Bett hin auszudehnen. Ich erinnere mich ihrer 
als einer schönen, hageren, immer weiß und reinlich gekleideten Frau. 
Sanft, freundlich, wohlwollend ist sie mir im Gedächtnisse geblieben. 
Im zweiten Stocke befand sich ein Zimmer, welches man das Garten⸗ 
zimmer naunte, weil man sich daselbst durch wenige Gewächse vor dem 
Fenster den Maͤngel eines Gartens zu ersetzen gesucht hatte. Dort war, 
wie ich heranwuchs, mein liebster Aufenthalt. Über jene Gärten hinaus, 
über Stadtmauern und Wälle sah man in eine schöne, fruchtbare Ebene; 
es ist die, welche sich nach Höchst hinzieht. Dort lernte ich zur Sommer⸗ 
zeit gewöhnlich meine Lektionen, wartete die Gewitter ab und konnte 
mich an der untergehenden Sonne, gegen welche die Fenster gerade ge— 
richtet waren, nicht satt sehen. Da ich aber zu gleicher Zeit die Nach⸗ 
barn in ihren Gärten wandeln und ihre Blumen besorgen, die Kinder 
spielen, die Gesellschaften sich ergötzen sah, die Kegelkugeln rollen und 
die Kegel fallen hörte, so erregte dies frühzeitig in mir ein Gefühl der 
Einsamkeit. 
Gewöhnlich hielten wir uns in allen unseren Freistunden zur Groß⸗ 
mutter, in deren geräumigem Wohnzimmer wir hinlänglich Platz zu 
unseren Spielen fanden. Sie wußte uns mit allerlei Kleinigkeiten zu 
beschäftigen und mit allerlei guten Bissen zu erquicken. An einem Weih— 
nachtsabende jedoch setzte sie allen ihren Wohlthaten die Krone auf, indem 
sie uns ein Puppenspiel vorstellen ließ und so in dem alten Hause eine 
neue Welt erschuf. Dieses unerwartete Schauspiel zog uns junge Ge— 
müter mit Gewalt an sich. Die kleine Bühne mit ihrem stummen Per— 
sonal, die man uns anfangs nur vorgezeigt hatte, nachher aber zur eigenen 
Unterhaltung übergab, mußte uns Kindern um soviel werter sein, als es 
das letzte Vermächtnis unserer guten Großmutter war, die bald darauf
	        
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