Full text: [Oberstufe, [Schülerband]] (Oberstufe, [Schülerband])

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er badet sich fleißig, und sein Schnabel ersetzt ihm Kamm und 
Bürste. Gegen Menschen ist er zuthunlich. Sorglos spaziert er 
im Hof und Garten des Landmannes umher; in Seestädten schreitet 
er mitten durch den Straßentumult, wandert von Markt zu Markt, 
von Brunnen zu Brunnen und fordert von jedem, daß er ihm 
ausweiche. 
Wenn im Hochsommer die Triften versengen und die Teiche 
und Sümpfe austrocknen, dann sucht der Storch das Innere der 
Laubwälder mit ihren Quellen, Brüchen und Wiesen auf, und 
wenn ihm auch hier die Nahrung auszugehen anfängt, rüstet er 
sich zur Reise nach Süden. Diese erfolgt meist plötlich und in 
geordnetem Zuge. In ununterbrochenem Fluge, zuweilen in Heeren 
von 23000, ziehen sie nach Ägypten, wo sie in der frosch⸗ und 
schlangenreichen Niederung des Nils einen günstigen Aufenthalts⸗ 
ort finden. Wenn aber die Glühhitze des angehenden Sommers 
von dem wolkenlosen Himmel Ägyptens niedersttahlt, kehrt der 
Storch zurück in die gruͤnenden Fluren unseres Vaterlandes. 
16. Die Taube. 
(Masius.) 
Das Anmutigste unter allem, was Flügel trägt, ist die Taube 
Die Tauben sind sanft, arglos, voll zaͤrtlicher Liebe; sie sind 
fromme Vögel. 
„Seid ohne Falsch wie die Tauben!“ ermahnt die Schrift. 
Mit Sanftmut und ohne Zorn erduldet eine Tauͤbe alles, selbst 
den Tod, und stößt nicht einmal einen Schrei des Schmerzes aus. 
Eine Taube ist die Botin des Friedens gewesen in den Tagen der 
Sündflut. Welch ein schönes Bild, wie sie dahinfliegt uͤber die 
brausenden Wogen, im Schnabel das Olblatt der Gnade, das sie 
in die Arche niedersenkt! Ja, ein lieber, schöner Vogel ist die 
Taube. Inmer ist sauber ihr Kleid, fein die Farbe, zierlich jede 
Bewegung. Die eine trägt ein Häubchen, die andere eine Perüuͤcke, 
einen Kragen, ein Band. Jene trommelt, diese kichert, wieder eine 
andere schlägt rucksend ihr Rad. Wie zierlich trippelt der kleine 
Fuß über den Sand; wie neugierig blickt ihr rötliches Auge wie 
lockend tönt ihr Girren aus der grünen Laube! 
Ihre Jungen pflegt die Taube mit zärtlicher Liebe; jedes Korn 
weicht sie ihnen im Kropfe auf, und verläßt das schüchterne 
Vögelchen den Schlag zum erstenmaͤl, so umflattert es die Alt für— 
sorgend von allen Seiten. Oft wird sie ein Opfer ihrer Liebe. 
Mit Rührung nur kann man es sehen, wie diefe treuen Tien
	        
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