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49. Hanf und Flachs.
4. 2?us& tragen wir sorglich das Pflänzchen hinein; dann schmückt es
den Nocken mit silbernem Schein; wir singen zum tönenden Nädchen und dreh'»
die Ädchen wie Seide so glatt und so schön.
5. Wenn drauhen die Felder erharren von Eis, dann ruft uns das
Pflänzchen zum traulichen Ureis. Jetzt blühend und grünend ergötzt uns fein
Glanz; dann schlingt es uns selber zum blühenden Uranz.
6. Drum kommt in die Felder und blühenden Au'n, das liebliche
Pflänzchen der Mädchen zu schau'»! Es grünet und blühet so freundlich und
zart, jungfräulich-öefcheiden in eigener Art.
Rru,nmacher.
49. Hanf und Flachs.
Diese beiden Gewächse verdanken ihre Verbreitung weder ihrer
Blüte no^h ihren Früchten, sondern ihrem Stengel. Dieser enthält
nämlich zähe Fasern, welche, nachdem sie von den spröden, holzigen
Schalen befreit sind, biegsame Fäden geben, die sich spinnen lassen.
Welchen großen Nutzen diese gewähren, kann sich jeder selbst aufzählen,
wenn er an die Waren des Seil'ers, an den Zwirn der Nähterin,
an die Leinwand von dem groben Packtuche bis zu dem feinsten Batist
denkt. Zwar hat man in neuerer Zeit die ausländische Baumwolle
vielfach an die Stelle des Flachses gesetzt, aber das feinste und dauer¬
hafteste Gewebe bleibt immer die Leinwand. Der Hanf hat den Vorzug
größerer Festigkeit und Dauerhaftigkeit; aber Feinheit und Schönheit
bleibt dem Gespinste aus Flachs. Und wie viele Personen finden
Arbeit und Verdienst bei der Behandlung dieser beiden Gewächse! Der
Bauer, welcher pflügt und säet; die Weiber, welche die Winterabende
durch Spinnen und Haspeln kürzen, im Herbste brechen, schwingen und
hecheln, im Sommer das gefertigte Zeug bleichen; die Weber, welche
spulen, zetteln und weben; die Färber, welche dem Garne oder der
Leinwand eine andere Farbe geben; alle haben ihren Vorteil von dem
Anbau dieser Pflanzen, den Seiler gar nicht mit gerechnet. Dazu
kommt, daß Hanf und Flachs öligen Samen bringen, welcher sich
mannigfach benutzen läßt, der Hanf mehr als Futter für die in Käfigen
gehaltenen Vögel, der Lein aber zu Öl. Zwar hat das Leinöl nicht
den guten Geschmack des Mohnöls, des Nußöls u. s. w.; allein zu
Firnis und Ölfarbe ist es unter allen das brauchbarste. Und der
Flachs trägt reichlich. Aus seinen fünfblätterigen, blauen Blüten bilden
sich erbsengroße, fünfkantige Knoten, in deren Fächern die platten,
glänzenden Leinkörnchen in Menge sitzen.