Full text: [Theil 2, [Schülerband]] (Theil 2, [Schülerband])

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halbwilden Zustande bis auf den Tag, wo die Zähmung fest· 
gesetzt wird. Eines Morgens sucht sich der Tschikos ein 
Pferd aus, das ihm getfällt; freundlich zu ihm sprechend, geht 
er ihm immer nmaber, die eine Hand aussstreckend, als wollte 
es Rebsosen. Das Thier blickt den Menschen von der seite 
an, als ahnte es die Gétahr für seine Freiheit; es dehnt seine 
Nascnlöcher aus und sträubt seine Mahne, sobald es die Hand 
A geinem Nacken füblt, es ist im Begriff die Plucht zu ergreitfen, 
per der Tschikos hat seine Mütze ins Gesicht gedrückt, die 
Zabne zusammengebissen und sitzt schon auf dem Rücken des 
Ppferdes, che noch dasselbe sich in Beéwegung geseétzt hat. 
Nun veginnt zwischen dem Thier und seinem Reiter ein furcht- 
parer Kampf. UÜberrascht und bestürt, macht das Thier ver- 
zweifeite Versuche, die ungewohnte Last abzuschütteln, es 
paumt sich, springt seitwârts und rückwarts, — alles vergeblich, 
qr Tsgchißos stõcæt in regelmäszigen Zwischenräumen seinen 
Mänd von Fabaksrauch aus, in geéduldiger Erwartung, bis es 
dem Thiére gefällig ist, ein Ende zu machen. Es wirft sich 
éndsich auf die Erdé, aber in dem Augenblick, wo es sich pückt, 
eht der Reiter seine Beine empor, bleibt dabei immer im 
Gléichgewicht, und wenn das Pferd wieder aufspringt, tràgt es 
den Ann bach wie vor auf seinem Rücken. Nun schieszt es 
Jie cin Pfeil vorwärts, es will der unertrâüglichen Lastent- 
dichen und bietet seine letzten Kräfte auf, um zu entkommen. 
Das Kat der Tschikos eben érwartet. DEr schaut nach der 
Sonne, merkt sich die Richtung, im welcher sein Renner die 
nackte Steppe durcheilt, und läszt ibn laufen. Ist das Pferd 
erschöpft, so fallt es nieder; dann legt ihm der Reiter das 
Gebdisæ ein, laszt es sich wieder erholen und führt es zahm 
und geduldig zurũck. 
191. Reiters Morgengesang. 
(Nach einem schwà bischen Volkslieodo.) 
Wilhelm Hauff. 
Gedichto und Mirchen für Söhne und Töehter gebildetor Ständo. Stuttgart. 1859. 8.9. 
Zueret in· Kriega- und Volks-Liocter. Stuttrart. 1824. 8. 81.) 
1. Morgenroth, 
leuchtest mir zum frühen Tod? 
Bald wird die Trompete blasen, 
dann muß ich mein Leben lassen, 
ich und mancher Kamerad. 
2. Kaum gedacht, 
war der Lust ein End gemacht. 
Gestern noch auf stolzen Rossen, 
heute durch die Brust geschossen, 
morgen in das kühle Grab!
	        
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