98. Das Quechksilber. 1
Schwefel fort, der sich vor dem Feuer fürchtet wie vor einem
Feinde und davoneilt, sobald er warm wird. Wollte nun der
Bergmann aus dem zurückgebliebenen Gestein das Silber mit
den Fingern herauslesen, so würde er vergeblich danach suchen;
denn es steckt in so kleinen Spitzchen in dem Kupferstein, daß
es nicht zu sehen ist. Er zermahlt vielmehr das Gestein noch
zu Mehl, tut dieses Erzmehl in ein Faß, das sich wie ein Mühl—
stein dreht, und bringt nun den Freund des Silbers, das Queck—
silber, auch in das Faß. Lustig dreht sich dann das Quecksilber
in lauter kleinen Tropfen mit im Kreise herum. Ohne sich um
das Kupfer zu kümmern, ergreift es ein Spitzchen Silber nach
dem andern und schwenkt sich in dem drehenden Tanzboden so
lange herum, bis sämtliches Silber mit ihm tanzt. Dann erst
hat die Lust ein Ende. In einen Klumpen vereinigt, liegen
unsere Tänzer erschöpft da und werden nun in einem Gefäß
dem Feuer ausgesetzt, als ob sie jetzt auch zusammen warm
werden sollten. Aber da schlägt die Scheidestunde; denn die
Hitze treibt das arme Quecksilber als Dampf hinweg. Während
so das Silber verlassen und allein zurückbleibt, muß das Queck—
silber durch Röhren steigen, die in kaltem Wasser liegen, muß
hier sich abkühlen und dann von neuem wieder Silber aus
seinem Versteck aufsuchen. Sein Leben ist ein beständiges Fin—
den und Verlieren.
Auch zum Golde fühlt sich das Quecksilber hingezogen.
Selbst ein edles Metall, hält es sich am liebsten zu dem Edlen,
bleibt auch wie die edlen Metalle immer hübsch blank und
rein, während sich das unedle Kupfer zum AÄrgernis der Köchin—
nen am Wasser und an Säuren leicht verunreinigt. Gehst du
zum Goldschmied, so kannst du sehen, wie es selbst Freund—
schaft stiftet zwischen dem Silber und dem Golde, so innig
und fest, daß das Silber ganz Gold geworden zu sein scheint.
Beim Spiegelmacher kittet es sogar das Glas und das Zinn
freundschaftlich aneinander, gewiß darum, weil es ein Feind
des Schmutzes ist und will, daß du nachsiehst, ob nicht irgend
ein Fleck dein Gesicht verunreinigt.
Der Maler läßt es als schöne, rote Farbe prangen. Er
mischt nämlich auf eine künstliche Weise einen Teil Schwefel
unter sechs Teile Quecksilber und erhält, wenn er's recht macht,
jene schöne, scharlachrote Farbe, die man Zinnober nennt. Selbst
in die Büchsen der Apotheker läßt es sich schicken und wandert
von da in die Krankenhäuser um den Tod zu vertreiben, wenn
es geht.
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