117
Als sie am dritten Tag wieder bis zu Mittag gegangen
waren, da kamen sie an ein Hävuslein, das war ganz aus
Brot gebaut und war mit Kuchen gedeckt, und die Venster
waren von hellem Zucker. „Da wollen wir uns niedersetzen
und satt essen, iss du vom Fenster, Gretel, das ist fein süss für
dieh.“ Wie nun Gretel an dém Zucker kuupperte, riek
drinnen eine feine Stimme:
„Kunpper, knupper, kneischen,
wer knuppert an meinem Häuschen?“
Die Kinder antworteten:
nDer Wind, der Wind,
das himmlische Kind, +
und assen weiter. Gretel brach sieh eine ganze runde
Fensterscheibe heraus, und Hänsel riss sich ein grosses Stück
Kuchen vom Dach ab. Da ging die Thüre auf, und eine
steinalte Frau kam herausgeschlichen. Hänsel und Gretel er-
schraken so gewaltig, dass sie fallen liessen, was sie in den
Händen hatten. Die Alte aber wackelte mit dem Kopf und
sagte: „Ei, ihr lieben Kinder, wo seid ihr denn hergelaufen,
konmunt herein mit mir, ihr soll's gut haben“ ~ fasste beide
an der Hand und führte sie in ihr Häuschen. Da ward gutes
Essen aufgetragen, Mileh und Pfannkuchen mit Zucker, Aepfel
und Nüsse, und dann wurden zwei schöne Bettlein bereitet:
da legten sich Hänsel und Gretel hinein und meinten, sie wären
im Himmel.
Vie Alte aber war eine böse Hexe, die lauerte den Kin-
dern auf und hatte bloss, um sie zu locken, ihr Brothäuslein
gebaut, und wenn eins in ihre Gewalt kam, da machte sie
es todt, koehte es und ass es, und das war ihr ein Festtag.
Da war sie nun reeht froh, wie Hänsel und Gretel ihr zuge-
laufen kamen. Früh, ehe sie noch erwacht waren, stand sie
schon auf, ging an ihr Bettlein, und wie sie die zwei so
lieblich ruhen sah, freute sie sich und murmelte : „Das wird
ein guter Bissen für mich sein.“ Darauf packte sie Hänsel
und steckte ihn in einen kleinen Stall; wie er nun aufwachte,
war er von einem Oitter umschlossen, wie man junge Hühn-
lein einsperrt, und konnte nur ein paar Schritte gehen. Dann