Full text: [Band 2, Abteilung 1, [Schülerband]] (Band 2, Abteilung 1, [Schülerband])

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erscheint er als Mensch, riesenhaft und rußig, bald auch in ver— 
schiedenen Thiergestalten, die Bewohner der Gegend entweder 
beglückend oder neckend. Im Ganzen ist jedoch der Charakter 
der Sagen von Rübezahl mehr launenhaft und komisch, selten 
tragisch. Seine Launen sind mannigfaltig und abwechselnd, wie 
das Wetter im Gebirge: er straft diejenigen oft, die ihn durch 
Rufen seines Namens necken und reizen; betrügerischen Roßhänd— 
lern verkauft er ein stattliches Pferd, welches sich nachher in 
einen Strohwisch verwandelt; Abenteurern wird ihr Pferd, ohne 
daß sie selbst es merken, zum Stocke, auf dem sie nachher im 
lächerlichsten Aufzuge durch das Dorf reiten; Armen dagegen 
füllt er den Korb mit trockenem Laube, was sie keuchend fort— 
schleppen und nachher in Gold verwandelt sehen; Kinder und 
rechtschaffene Brautleute aber beschenkt er öfters. Er läßt 
s statt des mit Unrecht Verurtheilten hängen, zappelt Stunden 
ang am Galgen, und wenn man endlich nachsieht, findet man 
nur einen Strohwisch. Im höchsten Gebirge duldet er keine 
Jagd; nicht einmal Jagdhunde darf man dahin mitnehmen. — 
Von den hundert verschiedenen Ableitungen seines Namens ist 
die bekannteste: er habe sich von einer schönen Prinzessin foppen 
lassen, die ihm, während er auf ihren Befehl die Rüben seines 
Gartens zählte, entflohen sei. Semmler. 
139. Rübezahl, der Geist des Kiesengebirges. 
Eines Tages sonnte sich der Geist an der Hecke seines Gar— 
tens; da kam ein Weiblein ihres Weges daher in großer Unbe— 
fangenheit, die durch ihren sonderbaren Aufzug seine Aufmerk— 
samkeit auf sich g Sie hätfte ein Kind an der Brust liegen, 
eines trug sie auf dem Rücken, eines leitete sie an der Hand, 
und ein etwas gßerer Knabe trug einen ledigen Korb nebst einen 
Rechen; denn sie wollte eine Laft Laub für's Vieh laden. Eine 
Mutter, dachte Rübezahl, ist doch wahrlich ein guͤtes Geschöpf, 
schleppt sich mit vier Kindern und wartet dabei ihres Berufs 
ohne Murken, wird sich noch mit der Bürde des Korbs belasten 
müssen. Diese Betrachtung versetzte ihn in eine gutmüthige 
Stimmung, die ihn geneigt machte, sich mit der Frau in Unter 
redung einzulassen. Sie setzte ihre Kinder auf den Rasen und 
streifte Laub von den hu indessen wurde den Kleinen die 
Zeit lang, und sie fingen an heftig zu schreien. Alsbald verließ 
die Mutter ihr Geschäft, spielte und tändelte mit den Kindern, 
nahm sie auf, hüpfte mit ihnen singend und scherzend herum, 
wiegte sie in Schlaf und ging wieder an ihre Arbeit. Bald 
daräuf stachen die Mücken die kleinen Schläfer; sie fingen ihren 
Gesang von neuem an; die Mutter wurde darüber nicht unge
	        
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