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erscheint er als Mensch, riesenhaft und rußig, bald auch in ver—
schiedenen Thiergestalten, die Bewohner der Gegend entweder
beglückend oder neckend. Im Ganzen ist jedoch der Charakter
der Sagen von Rübezahl mehr launenhaft und komisch, selten
tragisch. Seine Launen sind mannigfaltig und abwechselnd, wie
das Wetter im Gebirge: er straft diejenigen oft, die ihn durch
Rufen seines Namens necken und reizen; betrügerischen Roßhänd—
lern verkauft er ein stattliches Pferd, welches sich nachher in
einen Strohwisch verwandelt; Abenteurern wird ihr Pferd, ohne
daß sie selbst es merken, zum Stocke, auf dem sie nachher im
lächerlichsten Aufzuge durch das Dorf reiten; Armen dagegen
füllt er den Korb mit trockenem Laube, was sie keuchend fort—
schleppen und nachher in Gold verwandelt sehen; Kinder und
rechtschaffene Brautleute aber beschenkt er öfters. Er läßt
s statt des mit Unrecht Verurtheilten hängen, zappelt Stunden
ang am Galgen, und wenn man endlich nachsieht, findet man
nur einen Strohwisch. Im höchsten Gebirge duldet er keine
Jagd; nicht einmal Jagdhunde darf man dahin mitnehmen. —
Von den hundert verschiedenen Ableitungen seines Namens ist
die bekannteste: er habe sich von einer schönen Prinzessin foppen
lassen, die ihm, während er auf ihren Befehl die Rüben seines
Gartens zählte, entflohen sei. Semmler.
139. Rübezahl, der Geist des Kiesengebirges.
Eines Tages sonnte sich der Geist an der Hecke seines Gar—
tens; da kam ein Weiblein ihres Weges daher in großer Unbe—
fangenheit, die durch ihren sonderbaren Aufzug seine Aufmerk—
samkeit auf sich g Sie hätfte ein Kind an der Brust liegen,
eines trug sie auf dem Rücken, eines leitete sie an der Hand,
und ein etwas gßerer Knabe trug einen ledigen Korb nebst einen
Rechen; denn sie wollte eine Laft Laub für's Vieh laden. Eine
Mutter, dachte Rübezahl, ist doch wahrlich ein guͤtes Geschöpf,
schleppt sich mit vier Kindern und wartet dabei ihres Berufs
ohne Murken, wird sich noch mit der Bürde des Korbs belasten
müssen. Diese Betrachtung versetzte ihn in eine gutmüthige
Stimmung, die ihn geneigt machte, sich mit der Frau in Unter
redung einzulassen. Sie setzte ihre Kinder auf den Rasen und
streifte Laub von den hu indessen wurde den Kleinen die
Zeit lang, und sie fingen an heftig zu schreien. Alsbald verließ
die Mutter ihr Geschäft, spielte und tändelte mit den Kindern,
nahm sie auf, hüpfte mit ihnen singend und scherzend herum,
wiegte sie in Schlaf und ging wieder an ihre Arbeit. Bald
daräuf stachen die Mücken die kleinen Schläfer; sie fingen ihren
Gesang von neuem an; die Mutter wurde darüber nicht unge