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die den fürchterlichen Herzog von Alba durch ihr entschlossenes Betragen
beinahe zum Zittern gebracht hätte. Als Kaiser Karl V. im Jahre 1547
nach der Schlacht bei Mühlberg auf seinem Zuge nach Franken und Schwaben
auch durch Thüringen kam, wirkte die verwittwete Gräfin Katharina von
Schwarzburg, eine geborene Fürstin von Henneberg, einen Schutzbrief bei
ihm aus, daß ihre Unterthanen von der durchziehenden spanischen Armee
nichts zu leiden haben sollten. Dagegen verband sie sich, Brod, Bier und
andere Lebensmittel gegen billige Bezahlung aus Rudolstadt an die Saal—
brücke schaffen zu lassen, um die spanischen Truppen, die dort übersetzen
würden, zu versorgen. Doch gebrauchte sie dabei die Vorsicht, die Brücke,
welche dicht bei der Stadt war, in der Geschwindigkeit abbrechen, und in einer
größeren Entfernung über das Wasser schlagen zu lassen, damit die allzu—
große Nähe der Stadt ihre raublustigen Gäste nicht in Versuchung führte. Zu—
gleich wurde den Einwohnern aller Ortschaften, durch welche der Zug ging,
vergönnt, ihre besten Habseligkeiten auf das Rudolstädter Schloß zu flüchten.
Mittlerweile näherte sich der spanische General, von Herzog Heinrich
von Braunschweig und dessen Söhnen begleitet, der Stadt, und bat sich durch
einen Boten, den er voranschickte, bei der Gräfin von Schwarzburg auf ein
Morgenbrod zu Gaste. Eine so bescheidene Bitte, an der Spitze eines Kriegs⸗
heeres gethan, konnte nicht wohl abgeschlagen werden. Man würde geben,
was das Haus vermöchte, war die Antwort; seine Excellenz möchten kommen
und vorlieb nehmen. Zugleich unterließ man nicht, des Schutzbriefes noch
einmal zu gedenken, und dem spanischen General die gewissenhafte Beobach—
tung desselben an's Herz zu legen.
Ein freundlicher Empfang und eine gut besetzte Tafel erwarten den
Herzog auf dem Schlosse. Er muß gestehen, daß die thüringischen Damen
eine sehr gute Küche führen und auf die Ehre des Gastrechts halten. Noch
hat man sich kaum niedergesetzt, als ein Eilbote die Gräfin aus dem Saal
ruft. Es wird ihr gemeldet, daß in einigen Dörfern unterwegs die spanischen
Soldaten Gewalt gebraucht und den Bauern das Vieh weggetrieben hätten.
Katharina war eine Mutter ihres Volkes; was dem ärmsten ihrer Unter—
thanen widerfuhr, war ihr selbst zugestoßen. Auf's äußerste über diese
Wortbrüchigkeit entrüstet, doch von ihrer Geistesgegenwart nicht verlassen,
befiehlt sie ihrer ganzen Dienerschaft, sich in aller Geschwindigkeit und Stille
zu bewaffnen und die Schloßpforten wohl zu verriegeln; sie selbst begiebt
fich wieder nach dem Saale, wo die Fürsten noch bei Tische sitzen. Hier
klagt sie ihnen in den beweglichsten Ausdrücken, was ihr eben hinterbracht
worden, und wie schlecht man das gegebene Kaiserwort gehalten. Man
erwiedert ihr mit Lachen, daß dies nun einmal Kriegsgebrauch sei, und daß
bei einem Durchmarsch von Soldaten dergleichen kleine Unfälle nicht zu
verhüten stünden. „Das wollen wir doch sehen!“ antwortete sie aufgebracht.
„Meinen armen Unterthanen muß das Ihrige wieder werden, oder, bei
Gott,“ indem sie drohend ihre Stimme anstrengte, „Fürstenblut für Ochsen—