Märchen, Sagen und Legenden.
6. Die Haubenlerche.
Die Haubenlerche hatte ihr Nest in einem Gerstenfelde, und als
nun das Getreide weiß zu werden begann, waren die Jungen noch
nicht ganz flügge. Da sprach die Mutter, als sie nach Futter ausflog,
zu ihren Kindern: „Gebt nur hübsch acht, ob etwas Neues passiert, und
sagt mir's wieder.“ Ging der Herr des Kornfeldes mit seinem er—
wachsenen Sohne vorüber und sprach zu ihm:„ Siehst du wohl? die
Gerste wird reif, und es ist Zeit, sie zu schneiden: geh du morgen
früh zu unsern Freunden und bitte sie, daß sie uns helfen bei unsrer
Ernte.“ Als nun die Mutter wiederkam, erzählten ihr die Kinder, was
sie geh vt, und baten sie, sie möchte sie an einen andern Ort hintragen.
Aber die Mutter sprach: „Wenn der Herr mit seiner Ernte auf die
Freunde wartet, so haben wir morgen noch Ruhe.“ Und so geschah's.
Die Sonne schien heiß, und kein Freund ließ sich sehen. Da sprach
der Herr zum Sohne: „Die Freunde bleiben aus; wir wollen doch
unsre Vettern bitten, daß sie uns morgen zur Hand gehen.“ Die er—
schreckten Jungen teilten auch dies der Mutter mit. Allein die Mutter
sprach: „Noch könnt ihr ohne Sorge sein, so schnell kommen die Vet⸗
tern nicht; aber gebt nur acht, ob etwas Neues passiert.“ Am andern
Tage flog die Lerche wieder nach Futter; aber die Vettern sparten
sich dze Mühe. Da sprach der Herr zu seinem Sohne: „Laß nun die
Freunde und die Vettern fahren! morgen früh holst du zwei Sicheln,
mir eine und dir eine, und dann wollen wir uns selbst ans Schneiden
machen.“ Da dies die Haubenlerche von ihren Jungen hörte, sprach
sie: „Nun ist es Zeit, daß wir uns fort machen.“ Und sie trug ihre
Kinder in ein anderes Feld.
Wer andrer harrt,
der wird genarrt;
greif's selber an:
selbst ist der Mann!
7. Der grüne Psel.
Wie oft weils nieht ein Narr durch thöricht Unternehmen
viel fausend Thoren zu beschämen!
Neran, ein kluger Narr, färbt einen Esel grün,
am Leibe grũün, rot an den Beinen,