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Vendresse), 3. September
Mein liebes Herz!
Vorgestern vor Tagesgrauen verließ ich mein hiesiges Quartier, kehre
heute zuruͤck und habe in der Zwischenzeit die große Schlacht von Sedan am
Lerlebt, in der wir gegen 30000 Gefangene machten und den Rest der
französischen Armee, der wir seit Bar le Duc?) nachjagten, in die Festung
warfen, wo sie sich mit dem Kaiser kriegsgefangen ergeben mußten. Gestern
früh 5 Uhr, nachdem ich bis 1 Uhr fruͤh mit Moltke und den französischen
Generälen über die abzuschließende Kapitulation verhandelt hatte, weckte mich
der General Reille?), den ich kenne, um mir zu sagen, daß Napoleon mich
zu sprechen wünschte. Ich ritt ungewaschen und ungefrühstückt gegen Sedan,
fand den Kaiser im offenen Wagen mit drei Adjutanten und drei zu Pferde
daneben auf der Landstraße vor Sedan haltend. Ich saß ab, grüßte ihn ebenso
höflich wie in den Tuilerien 9 und fragte nach seinen Befehlen. Er wünschte
den König zu sehen; ich sagte ihm der Wahrheit gemäß, daß Se. Majeslät 15
drei Meilen davon, an dem Orte, wo ich jetzt schreibe, sein Quartier habe.
Auf Napoleons Frage, wohin er sich begeben solle, bot ich ihm, da ich der
Gegend unkundig, mein Quartier in Doncheryꝰ) an, einem kleinen Orle in
der Nähe dicht bei Sedan; er nahm es an und fuhr, von seinen sechs Fran—
zosen, von mir und von Karl, der mir inzwischen nachgeritten war, geleitet,
durch den einsamen Morgen nach unserer Seite zu. Vor dem Ort wurde
S ihm leid, wegen der möglichen Menschenmenge, und er fragte mich, ob er
in einem einsamen Arbeiterhause am Wege absteigen könne; ich ließ es besehen
durch Karl; der meldete, es sei ärmlich und unrein. „Das macht nichts aus,“
meinte Napoleon, und ich stieg mit ihm eine gebrechliche enge Stiege hinauf. 25
In einer Kammer von zehn Fuß Gevierte, mit einem fichlenen Tische und
zwei Binsenstühlen, saßen wir eine Stunde, die andern waren unten. Ein
gewaltiger Kontrast mit unserm letzten Beisammensein 1867 in den Tuilerien.
Unsere Unterhaltung war schwierig, wenn ich nicht Dinge berühren wollte,
die den von Gottes gewaltiger Hand Niedergeworfenen schmerzlich berühren
mußten. Ich hatte durch Karl Offiziere aus der Stadt holen und Mollke
bitten lassen zu kommen. Wir schickten dann einen der ersteren auf Rekog⸗
loscierung und entdeckten eine halbe Meile davon in Fresnois) ein kleines
Schloß mit Park. Dorthin geleitete ich ihn mit einer inzwischen herangeholten
Eskorle vom Leib⸗Kürassierregimente, und dort schlossen wir mit dem fran—
ösischen Obergeneral Wimpffen die Kapitulation, vermöge deren 10- bis
60000 Franzosen (genauer weiß ich es noch nicht) mit allem, was sie haben,
unsere Gefangenen wurden. Der vor-⸗ und gestrige Tag kosten Frankreich
100000 Mann und einen Kaiser. Heut früh ging letzterer mit allen seinen
Bofleuten, Pferden und Wagen nach Wilhelmshöhe bei Kassel ab.
Es ist ein weltgeschichtliches Ereignis, ein Sieg, für den wir Gott dem
verrn in Demut danken wollen, und der den Krieg entscheidet, wenn wn
auch letzteren gegen das kaiserlose Frankreich noch fortführen müsfen.
Ich muß schließen. Mit herzlicher Freude ersah ich heut aus Deinen
und Marias Briefen Herberts Eintreffen bei Euch. Bill sprach ich gestern, 45
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9 Sprich: N. Wangdrähß. 9 Bar le Dük. 85) Rej. 9 Thilerien Mapoleons Valast in Varis).
) Dongcerie. enba