fullscreen: Vaterländisches Lesebuch für die mehrklassige evangelische Volksschule Norddeutschlands

218. Frienchildens Rache. 
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und Knechten. Als sie an die Donau kamen, erhielt Hagen die Weissagung, 
daß niemand lebend zurückkehren werde außer dem Kaplan des Königs. Um die 
Wahrheit dieser Prophezeiung zu erproben, warf er den Kaplan in den Strom, 
aber es geschah das Unerhörte, daß der Mann sich an das User, von dem sie 
abgestoßen waren, rettete. Da erkannte Hagen, daß die Weissagung untrüglich 
sei, aber mit finsterer Entschlossenheit führte er das Heer dein unvermeidlichen 
Verderben entgegen. In Bechlaren wurden sie vom Markgrafen Rüdiger freund¬ 
lich aufgenommen, und hier verlobte sich Giselher mit Rüdigers Tochter Diet¬ 
linde; aber der junge Held sollte nach der Trennung seine Braut nicht 
wieder sehen. 
Als sie an Etzels Hof kamen, ritt ihnen König Dietrich von Bern ent¬ 
gegen und warnte sie vor Kriemhild, die Siegfrieds Tod noch nicht vergessen 
habe; deshalb legten auch die Burgunden die Waffen nicht ab, obwohl Kriemhild 
es verlangte. Diese wurde noch mehr dadurch gereizt, daß Volker und Hagen, 
welche beide gelobt hatten, sich bis zum Tode nicht mehr zu trennen, vor ihr 
nicht ausstanden, wobei noch Hagen Siegfrieds Schwert über seine Kniee legte. 
Kriemhild bot nun große Schätze allen, die gegen die Burgunden 
kämpfen wollten. Zuerst ließ sich Etzels Bruder Blödel in dazu bewegen, 
der mit den Hunnen die Knechte in den Herbergen überfiel; sie wurden nach 
tapferer Gegenwehr alle erschlagen, Blödelin aber wurde von Dankwart 
getötet, der sich hindurchschlug und, mit Blut beronnen, in den Saal kam, wo 
Etzel mit seinen Gästen an der Tafel saß. Da sprang Hagen aus und schlug 
dem kleinen Sohne Etzels das Haupt ab; nun entstand im Saale ein allge¬ 
meiner Kanips, bis Dietrich von Bern für sich und die Seinen freien Abzug 
begehrte: unter seinem Schutze verließen auch Etzel und Kriemhild den Saal. 
Darauf entbrannte der Kampf wieder und ruhte nicht eher, als bis die 
Hunnen im Saale sämtlich erschlagen waren. Kriemhild trieb aber andere 
Dienstmannen zum Kampfe gegen die Burgunden, und abends ließ sie Feuer 
an das Gebäude legen, so daß die Burgunden sich an die steinernen Wände 
stellen und mit den Schilden gegen die herabfallenden brennenden Balken schützen 
mußten. Am Morgen begann der Kampf aufs neue; auch Rüdiger, der nicht 
gegen die Gäste kämpfen wollte, die er selbst an den Hof geleitet hatte, mußte 
gegen sie streiten; er und Gernot erschlugen sich gegenseitig. 
Run ließen sich auch Dietrichs Leute trotz seines Verbots zum Kampfe ver¬ 
leiten, und da Dietrichs alter Waffenmeister Hildebrand sah, daß er sie nicht 
zurückhalten könne, stellte er sich an die Spitze. Dietrichs Mannen wurden alle 
erschlagen, Hildebrand selbst entkam nur mit einer Wunde; aber von den Bur¬ 
gunden lebten nur noch Günther und Hagen. Als Dietrich Hildebrands Wunde 
sah, rief er nach seinen Leuten, hörte aber zu seinem Schmerze, daß Hildebrand 
allein noch übrig sei; er rüstete sich nun zum Kampfe und überwand und band 
zuerst Hagen, dann auch Günther, die Helden waren zu sehr ermattet; er 
führte beide zu Kriemhild und empfahl sie ihrer Gnade. Kriemhild trat zuerst 
zu Hagen und fragte, ob er jetzt sagen wolle, wo der Schatz im Rheine ver¬ 
borgen sei. Hagen erwiderte: „Ich habe geschworen, den Ort nicht zu verraten, 
so lange Günther lebt." Da schlug Kriemhild ihrem Bruder das Haupt ab und 
trug es zu Hagen, der aber rief: „Den Schatz weiß nun niemand, als Gott 
und ich allein; er soll dir bösem Weibe immer wohl verhohlen sein!" Als sie
	        
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