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ginn
nur halb aufdecken, und da wollen wir hineinsehen. Sehen werden wir doch
dürfenn, was es ist, und ganz unvermerkt ein bißchen davon versuchen! Komm
vans, eine Pastele kann man nicht jeden Tag zu sehen und zu versuchen
bekommen.“ — Diese Worte der Versuchung verfehlten auf Hans ihre Wir—
kung nicht. Anstatt seiner Frau mit der tüchtigen Ohrfeige zu antworten,
war er dumm genug, sich verleiten zu lassen. Neugierig nahm Hans das Licht
und hielt es näher. Die Frau ergriff den Deckel und hob ihn auf der einen
Seite in die Höhe; und beide sahen neugierig hinein. Wer in demselben
Augenblicke sprang eine Maus heraus, und die Schüssel war übrigens ganz
leer Grete schrie vor Schrecken laut auf und warf den Deckel hin, daß er
in Stücke brach Da trat der Graf durch eine Seitenthür herein und sah sie
noch in ihrer Bestürzung. Ei, ei!“ sagte er, „wer hat die Schüssel denn auf⸗
gedeckt?“ Sie standen beschämt und sahen unter sich „Ich haͤtte mir vorge⸗
nommen, euch das Leben so angenehm zu machen als möglich, allein nun
könnt ihr nicht mehr hier bleiben. Ich habe es euch vorher gesagt. Nun
könnt ihr wieder um den täglichen Lohn arbeiten. Schiebt die Schuld nun
aber nicht mehr auf Adam und Eva, da ihr euch selbst das sorgenlose Leben
werscherzt habt.“ — Sie gingen noch in der Nacht in ihre Hülte nach dem
Dorfe zurück und kamen zur Erkenntuis ihrer albernen Beschuldigungen. Sie
arbeiteten künftig ohne Murren über ihr Schicksal, und so arbeiteten sie auch
leichter und leblen zufriedener. Und murrten sie je wieder einmal, so war
es ein Murren über ihre eigene Thorheit.
151. Es ist nicht alles Gold, was glänzt.
Gebel.)
„Es ist nicht alles Gold, was glänzt.“ Mancher der nicht an dieses
Sprichwort denkt, wird betrogen. Äber eine andere Erfahrung wird noch
öfter vergessen. Manches glänzt nicht und ist doch Gold; und wer das nicht
glaubt und nicht daran denkt, der ist noch schlimmer daran. In einem wohl—
bestellten Acker, in einem gut eingerichteten Gewerbe ist viel Gold verborgen,
und eine fleißige Hand weiß es zu finden, und ein ruhiges Herz dazu; und
ein gutes Gewissen glänzt auch nicht und ist noch mehr als Goldes werth.
Oft ist gerade da am wenigsten Gold, wo der Glanz und die Prahlerei aim
zrößten ist. Wer viel Lärm macht, hat wenig Mut. Wer viel von seinen
Thalern redet, hat nicht viel. Einer prahlten er habe ein ganzes Simri
Scheffel) Dukaten daheim. Als er sie zeigen sollte, wollte er lange nicht dar—
an. Endlich brachte er ein kleines, rundes Schächtelchen zum Vorschein, das
man mit der Hand bedecken konnte. Doch half er sich mit einer guten Aus—
rede. Das Dukatenmaß, sagte er, sei kleiner als das Fruchtmaß.
152. Abendlied.
(Claudius.)
Der Mond ist aufgegangen,
die goldnen Sternlein prangen
am Himmel hell und klar;
der Wald steht schwarz und schweiget,
und aus den Wiesen steiget
der weiße Nebel wunderbar
Wie ist die Welt so stille,
und in der Dämmrung Hülle
so traulich und so hold!
als eine stille Kammer,
wo ihr des Tages Jammer
verschlafen und vergessen soll
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