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ein heiseres, hustenartiges Bellen hervor. Den schlanken, hangenden Leib tragen schnelle 
Füße fast spurlos über den Boden, und stattlich schmückt ihn die buschige Schleppe. Die 
Farbe des Schweifes schimmert roth und goldig, und roth und goldig ist — mit Ausnahme 
des sauberweißen Vorhemdchens — der ganze Pelz. Daher heißt der Fuchs von Alters 
her der Rothe, der Feuerfarbene. Nach ihm sind wiederum die blanken, flinken Goldstücke 
getauft worden, die auch wie der Fuchs ‚mehr als ein Loch wissen“, wo sie auslaufen. 
So schleicht und streicht der Schlaue dahin, er schmiegt und biegt sich, ist vorsichtig, 
geduldig, ausdauernd, behend, allezeit entschlossen; ein Meister über hundert Künste Er 
scheint den heutigen Abend in süßem Nichtsthun verträumen zu wollen. Inzwischen 
kommen ein paar junge Füchslein neben ihm zum Vorschein. Klug forschend äugeln sie um— 
her, legen sich in die Sonne und beginnen allerhand Kurzweil. Das jüngste Söhnchen 
ist noch etwas täppisch. Es fängt Grashüpfer und Käfer, zerzaust ihnen die Flügel, läßt 
sie zappeln, schnäufelt daran umher, wirft sie weg und schlägt dann und wann einen lin— 
kischen Purzelbaum. Der Alte sieht eben nicht auf dasselbe. Dessen Blicke sind auf die beiden 
anderen hoffnungsvollen Buben gerichtet, in denen er das väterliche Talent mit sichtbarem 
Wohlgefallen wiedererkennt. Sie haben das leise horchende Mäuslein erhorcht und im 
Wettsprung gefangen. Mit mutwilliger Lust werfen sie es der eine dem. anderen zu, 
kneipen es hier, kneipen es da, bis sie, des Spielzeuges satt, es dem jüngsten üÜberlassen. 
Nun gilt's, ein Nest zu spüren, eine Grasmücke zu beschleichen, den schlüpfrigen Frosch zu 
packen, oder sie durchstöbern wohl ein Wespennest; denn wie lecker sie auch sind, so will 
ihre lernbegierige Zunge doch nichts unversucht lassen. 
Da tritt auch die Mutter aus dem Erdgeschoß, und der alte Fuchs erinnert sich, daß 
es Zeit sei, die Familienscene zu beenden. Er macht sich auf; allein er eilt mit Weile 
Gelassen schlendert er, den Schweif rittermäßig schleppend, durch Busch und Kraut immer 
querfeldein. Er läßt die Heerstraße und mag sich gern in Riedgras, Korn und Hag ver— 
lieren, wo bunte Blumen blühen und muntere Vögel singen. Die rosigste Laune leuchtet 
aus seinem Angesicht; Gedanken und Bilder umschwirren ihn wie ein lustiges Schnee— 
gestöber. Unterdessen ist er mitten im Waldbann. Er schleicht langsamer, leiser, vorsich⸗ 
tiger. Der Abend haucht aus Halm und Blatt. Die Bäume heben ihre Wipfel regungs⸗ 
los in die Stille; nur die Vogelkehlen sind noch laut. Die Drossel lockt mit hellem Ton, 
die Meise schlüpft, ihr witzig-spitzes Liedchen schrillend, von Busch zu Busch, der Wald⸗ 
schreiner Specht hackt und hämmert am Eichenstumpf, dazwischen kreischt mit einem wun— 
derlich äffenden Schnörkel der Häher, und ist dann auf einmal alles still, so stöhnt aus 
dem Schooß der grünen Einsamkeit der schwermütige Ruf des Wiedehopfes. Reineke ist 
am Rande der Waldwiese angekommen. Er lauscht. Die Blumen neigen ihre Kelche, da 
und dort summt noch eine Biene, oder ein schwergepanzerter Käfer schweift behaglich brum— 
mend in geschwungenem Bogen dahin. 
Jetzt knackt es in den Zweigen. Der Fuchs spitzt das Ohr, ein Pfeifen lüßt sich 
hören. Da tritt das Reh heraus, das Haupt keck emporgerichtet, die Augen nach allen 
Seiten rollend. Wieder pfeift es und in schlankem Sprunge ist das Kälbchen der Alten 
zur Seite. In den drolligsten Sätzen tändelt es um die Mutter, ein Blatt, ein Kraut 
wie im Fluge abstreifend und dann sich niederwerfend zu saugen. Die Mutter leckt ihm 
liebkosend den Nacken. Plötzlich hebt die Ricke den Kopf. Ihre Lichter funkeln, ein Zittern 
fliegt über die Flanken, sie macht ein paar Sprünge und stampft zornig mit den Läufen 
Es ist klar: sie hat den Räuber gewittert. Der hat sich herangestohlen, sacht, sacht, das 
Kitzlein unverrückt im Auge. Es gilt einen kühnen Griff. Wenn ihm nur die Alte nicht 
so eben den Weg verrannt hätte! Aber Reineke läßt sich nicht beirren; er thut, als sei er 
in tiefen Gedanken. Träumerisch sinnend starrt er ins Blaue. Keine Miene verräth, daß 
er der Beute ansichtig geworden. Er verschwindet, um in weitem Bogen von einer anderen
	        
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