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strom des Lebens ausgeflossen, in seinem Herzen durch Gottes Geist ent—
sprungen und durch seine Persönlichkeit geleitet; deshalb ist seiner
Schöpfung auch die Eigenart seines geistlichen Lebens eingeprägt.
2. In Walsrode, wo sein Vater Pastor war, ist er am 5. Mai 1808
geboren und nach etlichen Tagen getauft worden. 1817 kam er durch
dessen Versetzung nach Hermannsburg, und dort wurde er konfirmiert.
Unter der Zucht seines strengen und gerechten Vaters und der Pflege
seiner frommen, liebevollen Mutter herangewachsen, hatte er sein Vater—
haus und seine Lüneburger Heide, die er frisch und fröhlich durchstreifte,
lieb gewonnen, hatte aber auch gehorchen und arbeiten gelernt. Auf dem
Gymnasium in Celle und der Universität Göttingen lernte und studierte
er auf das fleißigste, so daß er sich einen reichen Schatz von Kenntnissen
erwarb und als ein wissenschaftlich hervorragend durchgebildeter Mann in
das Leben trat. Aber sein Herz war leer geblieben! Bis einst beim
Lesen des Johannisevangeliums, sonderlich des 17. Kapitels, die Wahrheit
des göttlichen Evangeliums ihn überwältigte und das göttliche Licht in
seine nach Wahrheit und Frieden dürstende Seele drang. Das war die
Stunde seiner Bekehrung und neuen Geburt. Und was er tat, tat er
ganz; er haßte alles laue und halbe Wesen: es war alles bei ihm aus
einem Guß. So gab er sich mit ganzer Seele und mit allen seinen
Kräften dem Herrn hin; Großes und Kleines — alles wurde bei ihm
Zeugnis und Bekenntnis, alles war von der Liebe Christi durchglüht.
Das zeigte sich bereits in seiner Kandidatenzeit, die er in Lauenburg und
Lüneburg als Hauslehrer verlebte. Treu und hingebend in seinem häus—
lichen Beruf, ging seine Wirksamkeit doch weit über denselben hinaus.
Schon in jenen Orten bewies er sein Glaubensleben in einer großartigen
Liebestätigkeit, die sich auch bereits auf die Heidenmission erstreckte. Ganz
besonders aber war das in Hermannsburg der Fall, wo er 1844 ein
pietätvoller Hilfsprediger seines alten Vaters, 1849 aber nach dem Tode
desselben sein Nachfolger wurde.
Ein Mann voll Geistes und Glaubens, war er auch ein volkstüm—
licher Prediger, wie die lutherische Kirche seit den Tagen Luthers keinen
zweiten gehabt hat, und sein Handeln und Wandeln war in jeder Be—
ziehung eine Bestätigung seiner Predigt. So ging ein geistesmächtiger
Einfluß von ihm aus, und in Hermannsburg entstand eine lebendige
Bewegung, die rasch wie ein Feuer die Lüneburger Heide durchlief und
sich bald weithin über Deutschland verbreitete. Alljährlich wanderten
viele nach dem stillen abgelegenen Heidedorfe, saßen unter seiner Kanzel
in der einfachen gotischen Dorfkirche oder unter einer knorrigen schattigen
Eiche auf einem der friedlichen Heidhöfe und holten sich Nahrung und
Erquickung für ihre Seele. Bald mußten seine Predigten auch gedruckt
werden, das Verlangen danach war zu groß, und noch jetzt gehören seine
Evangelien- und Epistelpredigten zu denen, die am weitesten verbreitet
sind und am liebsten gelesen werden, so daß er auch noch nach seinem
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