fullscreen: Lesebuch für ländliche Fortbildungsschulen

328 XL Die Gemeinde und ihre Pflichten, die Genossenschaft und ihr Segen. 
Haussaale, wo die Ziehung geschah. Die Nummern wurden verlesen, 
aber — o weh! keine einzige von denen, die der Schuhmacher setzte, 
war darunter. Der Mann hatte seit zwei Tagen kein Bier getrunken, 
nichts genossen als Brot und Wasser, er war deshalb empfindsamer 
als gewöhnlich; er fiel in Ohnmacht. „Ei," so rief sein Nachbar, der 
Schmied, „laßt doch geschwind eine Portechaise kommen für den kranken 
Jobst." Man legte diesen hinein, die Träger eilen, sie halten vor der 
Haustür. Da erfaßt die Frau voll Freude den Hammer und schlägt 
den grünen Kachelofen in Stücke. Als sie aber nun die Stubentür 
öffnet, da bringt man ihren ohnmächtigen Jobst getragen und vom 
Gewinn nichts dabei. Mit dem Mittagsessen in der „Goldenen Ente" 
war es aus; der Nachbar Schmied mußte sogar auf Vorschuß die 
Portechaisenträger bezahlen, denn es war kein Kreuzer mehr im Hause. 
Armer Tropf! Wäre ich an Ort und Stelle gewesen, ich hätte 
dir gerne etwas zu deiner Herzstärkung gegeben, dabei aber auch 
zugleich eine kleine Ermahnung: dem fest verhassten Glücke gar nicht 
so viel zu trauen und den Sperling der täglichen Arbeit 
in der Hand höher zu halten als die fremde Taube 
auf den: Dache. 
Lade, eh' den Hirsch du hast, 
auf den Braten keinen Gast. H. v. Schubert. 
207. Vom Glück. 
Im Dorfe liefen die Leute zusammen, als wäre ein großes Ereignis 
vorgefallen; erst fragten viele, und nur wenige konuteu Antwort geben, 
dann fragten nur noch wenige, denn die meisten hatten schon er¬ 
fahren, um was es sich eigentlich handelte. 
Und was hatte den Tumult erregt, die Leute so durcheinander 
gerüttelt? Der alte Mellinger hatte fünfhundert Gulden in der Lotterie 
gewonnen! 
Fünfhundert Gulden sind ein Geld; und fünfhundert Gulden von 
einem Manne gewonnen, der noch kürzlich sein täglich Brot erbettelt 
hatte, das ist offenbar ein Glück. 
Also wurde das Ereignis angesehen von allen Leuten im Dorfe. 
Von allen, sagen wir, — ausgenommen von einem, und dieser eine 
war der Martin Dammbeck. 
Und warum? Warum wollte gerade der nicht sagen, daß der 
Mellinger ein wirkliches Glück gemacht? 
Das fragten bald viele Leute im Dorfe, die es nicht sehen 
können, daß jemand den Kopf schüttelt, „Hmhm" sagt, „Abwarten!" 
ruft — „die Zeit wird's lehren" bemerkt. 
Der Martin Dammbeck ließ noch viel Wasser die Donau hiuab- 
rinnen, bis er mit der Sprache herausging; und erst, als die Leute 
im Dorfe sich gründlich beruhigt hatten, legte er einer Anzahl Nach¬ 
barn, die um ihn versammelt waren, folgende Fragen vor: 
„Ist der Mellinger von Haus aus ein frischer, kräftiger Bursch 
gewesen oder nicht?"
	        
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