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sieht man es gleich an, daß sie eine neue Stadt ist; Peter der Große hat
sie zu Anfang des vorigen Jahrhunderts erbaut. Sie hat schnurgerade
Straßen, herrliche Paläste und prächtige Kirchen. Wegen ihrer Lage an
der Ostsee eignet sie sich recht zu einer Handelsstadt. Südweftlich von ihr
liegen die deutschen Ostseeprovinzen, in denen viele Deutsche wohnen
und viel Getreide und Flachs gebaut wird. — Die großen Wälder Rußlands
sind teilweise noch Urwälder, in welchen Auerochsen, Elentiere, Bären,
Wölfe, Eber, Hirsche und Rehe hausen. Je weiter man nach Norden
wandert, desto mehr sieht man an die Stelle der Laubholzwaldungen
Nadelholz treten, vielfach mit Birkenwäldern abwechselnd;, nach und nach
schrumpfen die Bäume zu Zwergen zusammen, und endlich erblickt man
unur noch traurige und öde Flächen mit Moos und Flechten. An manchen
Stellen ist der Boden zu Mooren versumpft, welche die meiste Zeit des
Jahres zugefroren sind. Rauh und eisig ist die Luft dieser Gegenden Schon
im November stürzen gewaltige Schneemassen vom Himmel. Das Eis wird
oft 112 Meter dick, und kaum vermag sich der Mensch gegen die grimmige
Kälte zu schützen. Schnelle Renntiere, blaugraue Füchse, schwarzbraune
Zobel, weiße Hermeline und Eisbären durchstreifen die Schneefelder. Früh—
ling und Herbst sind hier unbekannt; auf den plötzlich eintretenden kuͤrzen
Sommer folgt bald wieder der strenge, neun Monate währende Winter.
189. Der Bär.
Die verschiedenen größeren und kleineren Raubtiere, welche zum
Geschlechte der Bären gezählt werden, treten mit der ganzen, nackten
Fußsohle auf, weshalb man sie auch Sohlenläufer nennt. Die fünf Zehen
stehen gesondert und sind mit gekrümmten Nägeln bewaffnet. Die Nase ist
rüsselartig und so empfindlich, daß ein tüchtiger Schlag auf dieselbe ihnen
sogleich den Tod bringt. Sie sind zum Teil sehr wild, aber weit träger,
plumper und ernster, als die übrigen reißenden Tiere, und ihrer Natut
nach düster, mißtrauisch, ungesellig. Sie vderbergen sich gern in die Erde,
graben und wühlen sich mit ihren Sichelkrallen Höhlen und Baue, und
einige von ihnen verbringen die kalte Jahreszeit im Schlafe. Ihre Nahrung
besteht sowohl in Tieren, als in Pflanzen, Früchten und Wurzeln.
Der Landbär ist ebenso finster und ungesellig, als die meisten
seiner Verwandten, und auch die Trägheit hat er mit diesen gemein. Da,
wo die Natur ganz wild ist, in dicken Wäldern und finstern Bergschluchten,
wohnt er am liebsten. In einer Höhle, die er weich mit Laub und Gras
ausgepolstert hat, bringt er fast den ganzen Winter mit Schlafen hin, säuft
und frißt nur selten. Ist der Sommer da, so kommt er abgemagert hervor
und schleppt sich brummend und mit den Zähnen knirschend laugsam und
schwerfällig durch die finstere Waldung; denn seine breiten Tatzen haben
sich gehäutet, und jeder Schritt thut ihm an den dünnen Sohlen weh.
Auch kehrt er bald genug wieder zuͤrück; es ist ihm nicht wohler, als in
der Einsamkeit seiner Höhle. Selbst mit seinem Weibchen lebt er nicht viel
beisammen; dieses muß sich schon deshalb von ihm absondern, weil er bei
gutem Appetit leicht seine Jungen verzehrt. Wenigstens weiß man das
vom braunen Bären. Die Mutter verbirgt deswegen die Jungen sorgfältig