Full text: [Oberstufe, [Schülerband]] (Oberstufe, [Schülerband])

2 
wann Armin für den Freiheitsbund und verlockte dann den sorglosen Varus 
in das von Thalschluchten vielfach durchschnittene Waldgebirge am linken 
Ufer der Weser. Mit den Schrecken der Natur im Bunde, unter Sturm— 
wetter und Regengüssen brach hier die germanische Wut auf das Römer— 
heer ein. Drei Tage lang suchte es sich unter tausendfachen Qualen dem 
Verderben zu entwinden; drei Tage lang wurde es verfolgt, bekämpft und 
besiegt, bis sich Varus endlich voll Verzweiflung in sein Schwert stürzte 
und die Seinen sich entweder dem Sieger ergaben, oder im Kampfe den 
Tod suchten. Ein Heer von 50000 Mann waͤr völlig vernichtet, und umn 
mit genauer Not schlug die Besatzung von Aliso sich zum Rhein durch. 
Der Rhein war wieder die Grenze der Römerherrschaft. 
Blutig war die Rache der Germanen. In heiligen Hainen, die in 
der Nähe des Schlachtfeldes waren, opferten sie die Anführer und Haupt⸗ 
leute des überwundenen Heeres den Göttern. Am Galgen fanden viele 
der Kriegsgefangenen den Tod. Den römischen Sachwaltern wurden die 
Zungen aus dem Munde gerissen. „Endlich, Natter, hast du aufgehört zu 
zischen!“ sagte ein Germane, als er die blutige Zunge in seiner Hand 
hielt. Die Augen stach man den Gefangenen aus, hieb ihnen die Hände 
ab, und manche haben lange ein elendes Leben dahingeschleppt. Vornehme 
Romer wurden als Knechte und Hirten auf die Höfe und Felden deutscher 
WMänner gebracht. Selbft der Toͤten schonte die Wut der Sieger nicht. 
Die Leiche des Varus wurde mißhandelt, der Kopf ihr abgehauen und an 
Marbod *) als Siegeszeichen gesandt. 
Die Nachricht von der furchtbaren Niederlage trübte die Freudenfeste, 
die Augustus für den mühevollen Sieg des Tiberius über die Pannonier 
anstellen ließ. So schlimm die Botschaft war, so fürchtete der alte Kaiser 
doch noch Schlimmeres; im geängstigten Geiste stellte er sich vor: die ver— 
einigten Deutschen, eine unwiderftehliche Macht, würden über den Rhein 
stürmen, Gallien, des großen Julius Eroberung, in ihre Gewalt bringen, 
dann über die Alpen brechen und Rom bedrohen; schon sah er die Herr⸗ 
—EITni— zusammensinken. Er 
ließ Wachen bei Tag und Nacht Rom durchziehen, ordnete eine allgemeine 
Aushebung an, gelobte dem Jupiter Spiele und Opfer, wenn der Sau 
gerettet würde; wehklagend zerriß er seine Kleider, ließ Haar und Bart 
lang wachsen; wie einen Wahnsinnigen sah man ihn gegen die Wand mit 
dem Kopf rennen und hörte von seinen Lippen den Schmerzensschrei: 
„Varus, gieb mir meine Legionen wieder!“ Der Tag der Unglücksschlacht 
blieb ein Schrecken seiner letzten Jahre. 
Die Besorgnisse des furchtsamen Greises waren eitel gewesen. Die 
Germanen gingen nicht über den Rhein, und Tiberius, der eilends zu den 
Legionen geschickt war, konnte ruhig die Grenze mit stärkeren Schutzwehren 
umgeben. In den beiden folgenden Jahren ging er noch zweimal nach 
Germanien hinüber, aber mit der ängstlichsten Vorsicht, und kehrte bald 
wieder heim. Auch der lebensmüde Kaiser wollte seine Herrschaft nicht 
neuen Gefahren aussetzen, und sterbend hinterließ er seinem Nachfolger den 
Rat, die Grenzen des Reichs nicht zu erweitern. Giesebrecht. 
König der Markomannen in Böhmen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.