das alte Land an der Elbe unterhalb Harburg erhielt damals seine Bevöl—
kerung aus Flandern. Daher findet man an den Giebeln der dortigen
Häuser nicht die Pferdeköpfe, welche das altsächsische Haus bezeichnen, sondern
die sich kreuzenden Giebelbalken enden mit der Figur eines Schwanes.
Karl ließ dem eroberten Lande im allgemeinen seine Einrichtungen;
nur wurde an die Spitze des Gaus ein Graf gestellt, der über die Ord—
nung wachen sollte und das Oberrichteramt und die Besorgung des Kriegs—
wesens hatte. Diese Stelle wurde in der Regel einem in dem Gau be—
güterten, angesehenen Manne verliehen. Damit aber die Grafen, fern
vom wachenden Auge des Herrschers, ihre Gewalt nicht mißbrauchten, setzte
er über mehrere Gaue Sendgrafen, immer einen weltlichen und einen
geistlichen, die umherziehen und überall nachforschen mußten, ob alles mit
Recht und Ordnung zugehe. Viele edle Familien im Sachsenlande waren
im Kriege erlegen; ihre Güter nahm der Kaiser an sich und belehnte
damit die Grafen, d. h. er gab sie ihnen nicht zu bleibendem Eigentum,
sondern nur unter der Bedingung der Treue an ihn, und damit sie den
Aufwand ihres Amtes davon bestritten. Dies Grafenamt und die damit
verbundenen Güter wurden nun allmählich in den angesehenen Familien
erblich; zu gleicher Zeit hatten die Grafen durch weitere Untervergebung
sich eine ihnen ergebene Dienstmannschaft verschafft. Das ist der Ursprung
des sogenannten neuen Adels, wie er noch jetzt besteht, im Gegensatz zů
den Edeln der früheren Zeit. Die Gesetze Karls des Großen machten ihn
zu einem besonderen Stande.
Das Christentum fand bei den Sachsen schweren Eingang, wie auch
begreiflich ist, da es ihnen ja auf der Spitze des Schwertes entgegen⸗
gebracht wurde und die Grausamkeit der Franken nicht zu seiner Em—
pfehlung beitrug. Dazu kam noch der Umstand, daß die Sachsen, welche
ja bis dahin keinen Priesterstand gekannt hatten, von nun an den Zehnten
von ihrem Felde und sonstigen Einkommen den Priestern geben sollten.
Das traf die Liten, welche schon für ihre Herren so viel leisten mußten,
besonders hart, und deshalb wehrten sie sich mit dem Mute der Verzweif⸗
lung gegen die Franken und das Christentum. Das unterworfene Volk
wurde massenhaft getauft, indem man dasselbe in Scharen in einen Fluß trieb
und dann die heilige Handlung mit ihm vornahm. So geschah es JB.einst
an der Ocker bei dem Orte Ohrum in der Nähe des heutigen Wolfenbüttels,
und noch jetzt findet man dort im Flusse bisweilen kleine bleierue Kreuße,
offenbar Taufmedaillen, welche die Zwangschristen weggeworfen hatten.
Mancher Mann mochte sich wohl dem Christentum fügen, weil er
den Christengott, unter dem die Franken fochten, für mächtiger erkannte,
als die heimischen Götter, welche den Sachsen nicht zum Siege zu helfen
vermochten. Es war ein alter Glaube im Lande, daß einst eine „Götter
dämmerung“, wie sie es nannten, eintreten werde, und dann die allen
Götter im Kampfe mit neu auftretenden Gottheiten zu Grunde gehen
würden. Mancher mochte nun wohl wähnen, jene Zeit sei herangekommen;
hatte doch nicht gar lange vorher Bonifacius im benachbarten Hessenlande
bei Geismar des Wodan heilige Eiche umschlagen können, ohne vom
rächenden Gotte bestraft zu sein. — Aber zu diesem Zweifel an dem
Alten mußte Belehrung über das Neue kommen, und veshalb beschloß
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