5
72. Deutsche Treue.
Uns Deutsche hat keine Tugend so hoch gerühmt und (wie ich glaube)
bisher so hoch erhoben und erhalten, als daß man uns für treue, wahr—
haftige, beständige Leute gehalten hat, die da haben ja — ja, nein — nein
lassen sein, wie des viel Historien und Bücher Zeugen sind. Wir Deut—
schen haben noch ein Fünklein (Gott woll's erhalten und anblasen) von
derselben alten Tugend, nämlich, daß wir uns doch ein wenig schämen und
nicht gern Lügner heißen, und nicht dazu lachen, wie die Welschen und
Griechen, oder einen Scherz daraus treiben. Und obwohl die welsche und
griechische Unart einreißt (Gott erbarm's!), so ist dennoch gleichwohl noch
das übrig bei uns, daß kein ernster, greulicher Scheltwort jemand reden
oder hören kann, denn so er einen Lügner schilt oder gescholten wird. Und
mich dünkt, daß kein schädlicher Laster auf Erden sei, denn Lügen und Untreue
beweisen, welches alle Gemeinschaft der Menschen zertrennt. Denn Lügen
und Untreue zertrennt erstlich die Herzen; wenn die Herzen zertrennt sind,
so gehen die Hände auch voneinander; wenn die Hände voneinander sind,
was kann man da thun oder schaffen? Wenn Kaufleute einander nicht
Glauben halten, so fällt der Markt zu Grunde. Wenn Mann und Weib
einander nicht treu sind, so läuft sie hinten aus, der Mann vorn aus, und
geht, wie jener sagt: Wehre, liebe Else, wehre, daß wir reich werden;
zerbrich du Krüge, so zerbreche ich Töpfe. Wenn ein Bürgermeister, Fürst,
König nicht Geleit treulich hält, da muß die Stadt verderben, Land und
Leute untergehen. Darum ist auch im welschen Lande solch schändlich Trennen,
Zwietracht, Unglück. Denn wo Treue und Glaube aufhört, da muß das
Regiment auch ein Ende haben. Christus helfe uns Deutschen.
Luther.
73. Herrschaften und Dienstboten.
Knechte und Mägde sollen zusehen, daß sie ihren Herren und Frauen
nicht allein gehorsam seien, sondern sie auch in Ehren halten, wie ihre
Väter und Mütter, nicht aus Zwang und Widerwillen, sondern mit Lust
und Freuden, weil es Gottes Gebot ist und ihm wohlgefällt. In solchem
Stande können sie ein recht fröhliches Gewissen haben und lauter güldene
Werke thun, die besser sind, als alle eingebildete Heiligkeit. Welch ein
edler Beruf, in welchem du die Zusage hast, daß dir's zu allem Guten ge—
deihen, dir darin wohlgehen soll! Du hast da alles Gut, Schutz und Schirm
unter dem Herrn, ein fröhliches Gewissen, einen gnädigen Gott, der dir's
hundertfältig vergelten will, und du bist in deinem Stande gar hoch und
groß, wenn du nur fromm und gehorsam bist. Wo aber nicht, so hast du
eitel Ungnade und Zorn von Gott, keinen Frieden im Herzen, danach
allerlei Plage und Unglück. Bedenke, daß Gott mit dir redet und Gehorsam
fordert. Gehorchst du ihm, so bist du ihm ein liebes Kind; verachtest du
es aber, so hast du Jammer, Schande und Herzeleid zum Lohn.
Mancher Knecht und manche Magd hat einen guten Dienst bei ehr—
lichen, frommen Leuten, die nicht gern Unzucht und Leichtfertigkeit an den
Ihren sehen oder leiden wollen. Wer da kommt nun hier einer und da
einer und spricht: „Wie lässest du dich so einsperren und so hart halten?