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paarweis lebenden Arten um Mittag einige Stunden voin Männchen ab⸗
gelöst wird. Beim Brüten fallen vielen Vögeln die Federn der Unter—
seite zum Teil aus, wodurch die sogenannten Brutflecken entstehen. Der
Kuckuck brütet selten selbst, meist legt er seine Eier in fremde Nester.
2. Die Jungen der Singvögel kommen nackt aus dem Ei, haben
nur einzelne Flaumfedern und geschlossene Augen. Sie werden von der
Mutter sorgsam im Neste gewaͤrin, bis sie befiedert sind. Die jungen
Raubvögel, sowie die meisten Hühner-, Stelz- und Schwimmvögel kommen
dicht mit Flaum bekleidet aus dem Ei. Viele von ihnen bleiben im
10 Veste; andere aber laufen oder schwimmen alsbald mit der Mutter davon.
Denjenigen jungen Vögeln, die das Nest gleich verlassen, wird die
Nahrung von der Mutter nur gezeigt, und sie müssen dann selbst zu—
langen. Die Raubvögel tragen die Beute herbei und zerreißen fie, wenn
sie groß ist, auf dem Rande des Nestes. Die Jungen greifen mit den
15 Schnäbeln selbst nach den Fetzen und würgen sie, oft mͤ vieler Mühe,
hinab. Vögel, die ihre Jungen mit Körnern füttern, wie die Hänf⸗
linge und Tauben, sammeln sich erst den Kropf voll, erweichen das Futter
darin und speien es dann den Kinderchen in den weit aufgesperrten
Mund. Störche sammeln den Hals voll Käfer und Frösche, Reiher voll
Fischchen und werfen die Sammlung in den Mund der Kleinen. Bach⸗
stelzen und alle kleinen Vögel, die mit Kerbtieren füttern, tragen diese
einzeln im Schnabel zum Neste und stecken die Speise in den weit auf⸗
gesperrten Schnabel der Jungen.
3. Die Nester sind sehr verschieden. Der Ziegenmelker legt seine Eier
25 geradezu auf den Sand, der Eisvogel in ein selbstgehacktes Erdloch auf
den bloßen Boden, der Specht in ein Baumloch auf mürbes Holz. Das
Haushuhn legt auf etwas Stroh, der Buchfink baut ein wunderschönes,
oben offenes Nestchen auf Bäume, die Beutelmeise hängt ihr Nest an
Ate und giebt ihm sehr künstlich die Gestalt eines Beuͤtels mit engem
30 Eingange an der Seite. So haͤt jede Vogelart beim Nestbau etwas
Eigentümliches. Es ist sehr anziehend, sie bei diesem Geschäfte zu be—
obachten. Mancher Knabe, der Vogelnester zerstört, könnte sich einen
weit höhern Genuß verschaffen, wenn er die Tierchen ungestört nisten
ließe und ruhig dabei von ferne beobachtete. Schon die bloße An—
35 näherung eines Menschen an ein Nest, noch mehr aber das Antasten des—
selhen bestimmt viele Vögel, es zu verlasfen. Merkwürdig ist auch die
Reinlichkeit, die manche kleine Vögel bei ihrem Neste bebbachten, wie
z. B. der Hänfling, der den Mist seiner Jungen weit wegträgt.
4. Kraniche, Störche, Schwalben, Wachteln, Nachtigallen,
10 Drosseln, Stare und viele andere Vögel machen im Herbst die weite
Reise nach Afrika. Sie müssen über Wälder, Berge, Flüsse und Seen,
ja zuletzt übers Meer ziehen, und doch verfehlen fie ihren Weg nicht
und kommen alle wohlbehalten in Afrika an, wenn sie auf dem Zuge
kein Unglück trifft. Die meisten Vögel reisen in sehr großer Höhe in
der sie dem menschlichen Auge kaum oder gar nicht mehr wahrnehmbar
sind, in Höhen, die bis zu sechs-, ja achttausend Meter hinauf reichen,