fullscreen: Aus der deutschen Geschichte bis zum Ausgange des Mittelalters (Teil 1)

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ihm wahrnehmen. Wer Tugend hat, der ist wohlgeboren und ehrt in 
schöner Weise sein Geschlecht. Lieber erhör ich mir zum Freunde einen 
niederen Mann, der nach (Ehre strebt, als einen hochgeborenen ohne 
Tugend, der dies Jahr noch schlechter ward als voriges Jahr. 
Sohn, du sollst das Gut besitzen und lieben, ohne daß es dich be¬ 
herrscht. Raubt es dir Sinn und freien Mut, so wird dein Herz wenig 
Lob erfahren. Das Gut ist eine Fußangel der Habgier. Wem es lieber 
ist als Gott und weltliche (Ehre, wen es also gefangen hält, daß er 
lieber auf die beiöen verzichten als dies eine ganz verschmähen will, der, 
glaube ich, ist von Sinnen. 
Sohn, du sollst höfische Sitte in deiner Gesinnung herrschen lassen. 
Behüte öich vor einem Fehler, der an der (Ehre großen Schaden tut. 
Damit war Judas überladen. Wer mit diesem Fehler noch befunden 
wird, der muß mit ihm in der Hölle baden. Ich meine die Untreue: 
die Schrift sagt uns, sie sei ein Gift der armen -Seele dorten und hier 
des Leibes. 
Sohn, wenn du die Bequemlichkeit vorziehst, so mußt du auf (Ehre 
verzichten; an einem jungen Manne sah ich nie öie beiden in gleichem 
werte stehen. Was taugt ein junger, in Trägheit versunkener Leib, öer 
nicht Ungemach ertragen noch verständig nach (Ehren streben kann? (Es 
ist mir ohne Zweifel bekannt geworden: selten läuft eine kluge Maus 
dem schlafenden Fuchs in öen Mund. 
Sohn, ich will dir nicht mehr sagen; es sei der Ratschläge ein (Ende 
gemacht. Du kannst nicht alles bei dir behalten; nimm aus allen Räten 
drei heraus und präge sie deinem herzen ein: es wird dir zum Besten 
ausfchlagen. Sei nie der Liebe zu Gott bar, sei wahrhaft und voll steter 
ritterlicher Sucht. Manche Tugend hat ihren Ursprung in den dreien. 
Bewahre sie wohl, habe immer Dank. 
„Per töinsbefe" (um 1210) in der Manessischen Handschr., herausg. v. f?aupt 1845. 
75. Turnier. Um 1200. 
Das größte Ritterfest war der Tumey; die Teilnehmer wurden 
immer in zwei Parteien geteilt und diese wieder in verschiedene Haufen, 
die einander unterstützten. Die Turniere wurden um 1200 nicht nur bei 
großen Hoffesten eingestellt, sondern auch von den Rittern einer Land¬ 
schaft; es waren Spielkämpfe, welche das Rittertum in seinem höchsten 
Glanze zeigten. In der Stadt, welche dem Turnierplätze nahe lag, war 
in den Wochen vor dem Turnier geräuschvolles Treiben; Schmiede, 
Lederarbeiter, Gewandschneider, Goldschläger, Maler, Federschmücker 
waren in angestrengter Tätigkeit; die Herbergen füllten sich, auch Pri¬ 
vathäuser nahmen Einquartierung. Wer der Einladung zum Turnier 
folgte, zog stattlich ein und wandte leicht mehr Geld und Kredit auf sich 
und sein Gefolge, als ihm nützlich war; denn die Edeln und Dienstmannen 
kamen mit großem Gefolge von Rittern, Knechten und Rossen, zuweilen 
auch mit Frauen. In den letzten Tagen vor dem Fest wogte es auf den 
Straßen und um die Herbergen; die Ritter, welche des Abends einander 
besuchten, ließen sich große Wachslichter vortragen; dann war die Stadt, 
deren Dunkel durch keine Straßenlaternen unterbrochen wurde, hell 
erleuchtet. Es galt für eine Ehre, viele vornehme Herren unter feinem
	        
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