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fette Mops — hinüber, meint ihr? — nein! er sprang zu kurz und
siel hinein, bloß wegen seiner schweren Masse. Und als er endlich
der Gefahr, da zu ersaufen, ledig war, so stellt er sich recht mitten
auf die Gasse und fängt euch da ein Schelten an, daß man sein eigen
Wort davor kaum hören kann. Es sollte aber dieses Schelten —
-— wem meint ihr wohl? — dein Monde gelten, und der hatt' ihm
doch nichts getan. Er schalt ihn aber: „Bärenhäuter, Ochs, Esel,
Schlingel und so weiter." Der Mond — nicht wahr, der schalt
doch wieder? O nein! sah lächelnd auf den Mops hernieder und
fuhr, als ging's ihn gar nichts an, lustwandelnd fort auf seiner
Himmelsbahn und wird seitdem — wie jedermann bekannt — doch
immer Mond, nie Ochs genannt. Magnus Gottfried Lichtwer.
53. Der Verleumder.
Ein vornehmer Mann hatte einmal einen Gast bei Tische, der
böse Reden gegen einen Abwesenden führte, was ihn sehr schmerzlich
berührte. Da er nun dein Verleumder eine heilsame Lehre geben
ivollte, befahl er laut einem Diener, schnell denjenigen zu rufen, dessen
guter Ruf niißhandelt wurde. Der Verleumder erschrak über diesen
Befehl und fing an, eine Einrede dagegen hervorzustottern. Der vornehme
Mann aber sprach mit großer Ruhe: „Ich lasse diesen Herrn rufen,
damit er auf Ihre Beschuldigungen antworte; denn es wäre unbillig,
über ihn Klagen anzuhören, ohne ihm Gelegenheit zu geben, sich
zu verteidigen."
Möchten doch alle Verleumder durch solche Verlegenheit bestraft
werden!
Wer seines Nächsten Ehre schmäht
und gern sie schmähen höret,
sich freut, wen» sich sei» Freund vergeht,
und nichts zum besten kehret,
nicht dem Verleumder widerspricht:
der liebt auch seinen Bruder nicht.
Hofmanns Sprachbuch.
54. Der Blinde und der Lahme.
Von ungefähr muß einen Blinden ein Lahmer auf der Straße
finden. Sogleich hofft jener freudenvoll, daß ihn der andre leiten soll.
„Dir," spricht der Lahme, „beizustehen? Ich armer Mann kann selbst
Kieffer, Drittes Lesebucli. 4