Full text: Lesebuch für die ... der Volksschulen des Regierungsbezirkes Oberbayern (Oberklassen, [Schülerband])

22 
17. Morgenlied. — 18 Morgenstille. 
B. wirken und Schaffen inr Hause. 
17. Worgenlicd. 
Übersetzung von Friedrich v. Schiller. 
1. Verschwunden ist die finstre Nacht; 
die Lerche schlägt; der Tag erwacht; 
die Sonne kommt mit Prangen 
am Himmel aufgegangen. 
2. Sie scheint in Königs Prunkgemach; 
sie scheinet durch des Bettlers Dach, 
und was in Nacht verborgen war, 
das macht sie kund und offenbar. 
3. Lob sei dem Herrn und Dank gebracht, 
der über diesem Haus gewacht 
mit seinen heil'gen Scharen, 
uns gnädig zu bewahren! 
4. Wohl mancher schloß die Augen schwer 
und öffnet sie dem Licht nicht mehr; 
drum freue sich, wer neubelebt 
den frischen Blick zur Sonn' erhebt. 
18. Morgen stille. 
Heinrich Stahl. 
Noch umhüllt die Nacht mit ihrem düstern Schleier die weite 
Welt, und Schlaf und Schweigen ruhen auf der Flur. Nur das 
Bächlein rauscht unaufhaltsam dahin; eine Welle küßt die andere, daß 
sie alle wach und bereit sind, den Morgensegen zu beten in ihrer Weise. 
Dann eilen sie rascher dem Walde zu; die Bäume schütteln die Nacht¬ 
ruhe aus ihren Zweigen und neigen sich leise zu freundlichem Gruße. 
Da plötzlich stimmt die Nachtigall den Frühpsalm an. Das Echo wird 
laut, trägt den süßen Hall von Busch zu Busch und erweckt die Vöglein, 
die noch schliefen, und die Lerche, die zum Himmel steigt, den Morgen¬ 
stern zu grüßen. Rosig, wie das Antlitz eines blühenden Kindes, erglüht 
der Himmel; sein Auge wird klar, und ein Strahl seines Lichtes dringt 
in die Tiefen, daß die Schatten weichen und die Nebel fliehen. Die 
Morgensonne tritt hervor aus goldumsäumter Wolke; glührote Pfeile 
zucken auf und nieder und wecken Tauesblitze, wenn sie dahinfahren 
durch duftige Wiesen. Dann erhebt sich das Gras; die Blumen richten 
sich empor und schauen mit Dankesthränen im Auge ins holde Sonnen¬ 
angesicht. Jetzt ist die ganze Schöpfung wach; nur der Mensch ruht
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.