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Die römische Geschichte: bis 600.
kauf aus der Gefangenschaft. Oft auch bildeten sie seine Begleitung
zu Hause und im Felde. Sie waren Kleinkrämer oder Handwerker
oder bewirtschafteten die Grundstücke ihres Herrn
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Kulturgeschichtliches.
, 19u3- Politischer Ueberblick. Nur schwer lässt sich aus den Sagen ein
1 ) j361t • e®^en Zustand Roms gewinnen. Den Bewohnern eigentümlich
sind der Instinkt für politische Organisation und ihre Achtung vor der Autorität.
Sie fanden volle Befriedigung im Staate selbst. Von Vaterlandsverrath ist die
römische Geschichte frei wie keine andere. Durch die Gründung der Königs¬
herrschaft trat die Stadt in einen folgenschweren Gegensatz zu der föderativen
Nachbarschaft. Häufige und heftige Kämpfe werden den Bestand deshalb oft in
.age gestellt haben. Das Königthum war weder ein despotisches noch ein pa¬
triarchalisches. Denn der König wurde vom Volke gewählt und liess demselben
einen gewissen Antheil an der Regierung. Auch umfasste der Staat, abgesehen
von den auch sonst vorkommenden Abstufungen im Freiheitsrechte, bereits zwei
verschiedene Bestandtheile, die Patricier und die Plebejer, welche fast wie zwei ge¬
trennte Gemeinden nebeneinander wohnten. Wenigstens die Zeit der vier ersten
Könige wird von der Kritik in das Gebiet der Sage gewiesen. Dieselbe gehört
also der Vorgeschichte Roms an.
194. Die römischen Götter. Der nüchterne und prosaische Sinn der Römer
widerstrebte der Ausbildung einer abstracten Mythologie, selbst der Abbildung
der Götter. Die Beschäftigung mit Ackerbau und Viehzucht beförderte die Aus¬
bildung von reinen Naturgottheiten. Man verehrte die Erde als Tellus, den
Saatengott Saturnus und seine Gattin Ops, die Fülle und Reichthum versinn-
bildete. Jupiter und Juno sind ursprünglich Gottheiten der Tageshelle. Aus
dem Sonnengotte Janus, der allein abgebildet wurde, und zwar mit einem Doppel¬
gesichte, wurde der Gott des Zeitenwechsels, alles Anfanges und Einganges zum
neuen Leben. Diana war Mondgöttin.
Neben diesen Hauptgottheiten verehrten die Römer weissagende Wald- und
ieldgötter, wozu auch \enus und Hercules gehörten, unter denen die zeu¬
genden Naturkräfte versinnbijdet waren. Vulcanus ist Gott des Feuers und
der dadurch erzeugten Arbeiten, Mercurius des Gewerbes, die hoch verehrte
Vesta Göttin der Ansässigkeit.
Sabinischen Ursprunges ist der Kriegsgott Mars, etrusc.ischen Minerva,
die orsteherin der geistigen Erzeugnisse.
Es waren die Gottheiten der Römer zwar im Gegensätze zu den griechischen
ohne feste Gestaltung und ohne Mythologie, aber überall ahnte man sie. Im
Familien- und Speisesaal, dem Atrium, standen über dem Herde die Laren,
die Beschützer des Hauses. Die Penaten sind die segenschaffenden Haus¬
götter. Jeder glaubte sich von seinem Genius umgeben. Unendlich zahlreich
sind die vergötterten abstracten Begriffe, z. B. Fides, Victoria.
195. Die Religion und die Priester. Die Religion stand mit dem Staats¬
und Privatleben in engster Verbindung und hielt die Gemüther fest umschlossen
(Religio von religare, verbinden, abzuleiten?). Aber sie ging auf in der ge¬
wissenhaften Beobachtung aller auf das Aeussere gerichteten Vorschriften. Durch
dieselbe glaubte der Römer auf die Götter einen Zwang üben zu können; daher
suchte er ängstlich ihren Willen zu erforschen. Der Glaube, dass durch die
endlosen Götter Rom zur Herrschaft des Weltalls bestimmt sei, wreshalb fremde
Gottheiten nach Rom gebracht wurden, trug viel zur Stärkung der Nationalkraft
bei. Wie der Familienvater für seine Familie oberster Priester war, der Curio
für die Curie, der Tribun für die Tribus, so betete und opferte der König für
das ganze Volk.
Die römischen Priester bilden meistens ein sachverständiges Kollegium,
aber keinen besondern Stand. Die drei Fl am in es hatten als Einzelpriester
den Kult des Jupiter, Blars und Quirinus zu besorgen. Die salischen Priester,