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Sein Schloß von Eis liegt ganz
hinaus
Beim Nordpol an dem Strande;
Doch hat er auch ein Sommerhaus
Im lieben Schweizerlande.
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Da ist er denn bald dort, bald hier,
Gut Regiment zu führen;
Und wenn er durchzieht, siehen wir
Und sehn ihn an uünd frieren.
140. Die kleine Wohlthäterin.
(riedrich Adolf Krummacher.)
Es war einmal ein kalter, strenger Winter. Da sammelte
die kleine Minnag, die einzige Tochter wohlhabender Eltern, die
Krümchen und Brosamen, die übrig blieben, und bewahrte sie.
Dann ging sie hinaus, zweimal am Tage, auf den Hof und streute
die Krümchen hin. Und die Vöglein flogen herbei und picklen
sie auf. Dem Mädchen aber zilterten die Hände vor Frost in
der bitteren Kälte.
Da belauschten sie die Eltern und freuten sich des lieblichen
Anblicks und sprachen: „Warum thust du das, Minna?“
„Es ist ja alles mit Schnee und Eis bedeckt,“ antwortete
Minna, „daß die Thierchen nichts finden können; nun sind sie
arm. Darum füttere ich sie, so wie die reichen Menschen die
armen i und ernühren“ Da sagte der Vater: „Aber
du kannst sie doch nicht alle versorgen!“
Die kleine Minna antwortete: „Thun denn nicht alle Kinder
in der ganzen Welt, wie ich, sowie ja auch alle reichen Leute die
armen verpflegen?“
Der Vater aber blickte die Mutter des Mägdleins an und
sagte: O du heilige Einfalt!“
141. Die Sternseherin Lise.
Matthias Claudius)
Ich sehe oft um Mitternacht,
Wann ich mein Werk gethan,
Und niemand mehr im Hause wacht,
Die Stern' am Himmel an.
Sie gehn da, hin und her zer—
streut,
Als Lämmer auf der Flur,
In Rudeln auch und aufgereiht,
Wie Perlen an der Schuur.
Und funleln alle weit und breit,
Und funkeln rein und schön;
Ich seh' die große Herrlichkeit,
Und kann nicht satt mich sehn.
Dann saget unterm Himmelszelt
Mein Herz mir in der Brust:
„Es gibt was Bess'res in der Welt,
Als all ihr Schmerz und Lust.“
Ich werf' mich auf mein Lager hin,
Und liege lange wach,
Und suche es in meinem Sinn
Und sehne mich danach.