Full text: Zweites Lesebuch für die Oberstufe (Teil 6, [Schülerband])

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6G. Bilder aus der Fremde. 
Taube, die hier in Scharen von Hunderten umherfliegt und an den stech— 
apfelförmigen Früchten der zahlreichen Lotosbäume gute Kost hat. 
In diesem gesegneten Seetale drängte sich sonst eine große Volks— 
menge im rührigsten Verkehre. Blühende Städte und gewerbreiche Flecken, 
wie Kapernaum, Chorazin, Bethsaida, Magdala und Tiberias 
samt ihren reizvollen Gärten, Feldern und Obsthainen, welche zu jeder Zeit des 
Jahres reiche Früchte lieferten, umgürteten im lieblichsten Wechsel den See 
wie die kostbare Einfassung einen köstlichen Edelstein. Gegen zwölfhundert 
Fischer fanden hier ihre Nahrung; drittehalbhundert Fahrzeuge: Fischerkähne, 
Reisebarken, lustfahrende Gondeln und Lastschiffe, durchkreuzten den Wasser— 
spiegel nach allen Richtungen und machten ihn zum gemeinsamen Tummel— 
platze aller umliegenden Städte und Dörfer. Hier war der heitere, gesegnete 
Schauplatz der Wirksamkeit des Herrn. 
Jetzt trauert die reizvolle Landschaft wie eine Witwe. Von Kapernaum, 
„das bis an den Himmel erhoben war“, von Chorazin und Bethsaida ist 
keine Spur mehr zu finden. Die Wälder und Weingärten sind von den Hügeln 
verschwunden; Palmen⸗, Feigen- und Olivenbäume stehen nur noch vereinzelt 
umher; die Balsamstaude, welche vormals die feinsandigen, kiesreichen Ufer 
des Sees umgrünte, findet sich nirgend mehr, und statt jener Hunderte von 
Fahrzeugen zieht jetzt ein einziges Boot mit weißem Segel von Zeit zu Zeit 
seine Furche durch den Spiegel des stillen Gewässers, um von dem östlichen 
Gestade Holz nach Tiberias herüberzuholen. 
Nach F. Büßler. 
145. Zwei Hohenzollernreisen nach Jerusalem. 
Im Leben unsers zweiten und dritten Hohenzollernkaisers sind die 
Reisen, welche dieselben nach dem Heiligen Lande unternahmen, Ereignisse 
von hoher Bedeutung geworden. Nicht lange vor der Errichtung des 
neuen Deutschen Reiches besuchte Kaiser Friedrich IIlI, damals noch 
Kronprinz von Preußen, 29 Jahre später sein Sohn und Nachfolger, 
Kaiser Wilhelm I., Palästina und dessen Hauptstadt Jerusalem. 
Beide Reisen boten nicht nur den hohen Beteiligten des Schönen und 
Erhabenen gar viel, sondern sie wurden auch für das religiöse und 
vaterländische Leben des deutschen Volkes und weiterer Kreise von segens— 
reichen Folgen. 
Kronprinz Friedrich Wilhelm, welcher am 17. November 1869 der 
feierlichen Eröffnung des Suezkanals beiwohnte, verband mit der Reise 
nach dem Pharaonenreiche einen Besuch des Gelobten Landes, wo er 
überall mit den größten Ehren empfangen wurde. Unter festlichem Ge— 
pränge zog der preußische Königssohn auch in Jerusalem ein, und voll
	        
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