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Sie flicht sich blühende Kränze ins Haar
und schmückt sich mit Rosen und Ahren
und läßt die Brünnlein rieseln lar,
als wären es Freudenzãhren.
Drum stilll Und wie es frieren mag,
o Herz, gib dich zufrieden;
es ist ein großer Maientag
der ganzen Welt beschieden!
Und wenn dir oft auch bangt und graut,
als sei die Höll' auf Erden,
nur unverzagt auf Gott vertraut!
Es muß doch Frühling werden.
11. Vom kirschbaum.
Ferdinand Avenarius. Stimmen u. Bilder. Florenz u. Leipziꝗq, Eugen
Diederichs. 1. Aufl. 1898. S. 49.
Ist alles ganz kahl und still,
nicht mal im Grase sich's regen
will,
steht alles geduckt,
klappert im EFrost und muchkt
mit dem Winter. Der putzt
es mit Rauhreif auf,
aber keines gibt was drauf.
Doch im Garten
sagt einer: „Ich kann warten.“
Ist jemand, du kennst ihn
wieder kaum,
er worden: Der
RKirschenbaum.
Schläft er nicht?
Trau einer dem Wicht!
Heute mittag, um Uhre eins
gab's mal ein Prõbehen Sonnen⸗
Darin — ich habe
das deutlich geseln —
mit seinen Knospen
fingerte der alte Knabe,
ein wenig vorsichtigund geziert,
wie man Badewasser probiert.
Und über seine Runzeln
ging ein Schmunzeln.
scheins:
12. Frühlingsglaube.
Ludwig Uhland.
Gesammelte Werke, herausgegeben v. Herm. Fischer
Stuttgart, Cotta. Band l, S. 50.
Die linden Lüfte sind erwacht,
sie sãuseln und weben Tag und Nacht,
sie schaffen an allen Enden.