210
Er hat hinabgenommen
Des Reiches Herrlichkeit
Und wird einst wiederkommen
Mit ihr zu seiner Zeit.
Der Stuhl ist elfenbeinern,
Darauf der Kaiser sitzt;
Der Tisch ist marmelsteinern,
Worauf sein Haupt er stützt.
Sein Bart ist nicht von Flachse,
Er ist von Feuersglut,
Ist durch den Tisch gewachsen,
Worauf sein Kinn ausruht.
Er nickt als wie im Traume,
Sein Aug', halb offen, zwinkt,
Und je nach langem Raume
Er einem Knaben winkt.
Er spricht im Schlaf zum Knaben
Geh' hin vor's Schloß, o Zwerg,
Und sieh', ob noch die Raben
Herfliegen um den Berg.
Und wenn die alten Raben
Noch fliegen immerdar,
So muß ich auch noch schlafen
Verzaubert hundert Jahr
CFriedr. Rückert)
23. Das Grzgebirge.
1. Das Erzgebirge umfaßt den größten und volkreichsten Theil
des Königreichs Sachsen. Dort erheben sich die meisten und höchsten
Berge des Landes; dort sind die Quellen der größeren Flüsse, mit
Ausnahme der Elbe; dort ist das Vaterland des sächsischen Bergbaues,
des Kloͤppelwesens, zum Theil auch der Baum- und Schafwollenwebere
und der Holzwaarenarbeiken. Während man oben klöppelt, spinnt,
webt u. s. w., wird unter der Erde geklettert, gehämmert, gekarrt u. s. w.
Vom Meißner und Leipziger Kreise steigt das Land allmählich an,
erhebt sich wellenförmig, in stetem Wechsel von Berg und Thal, bis
zu den höchsten Punkten an der böhmischen Grenze. Es ist reich an
Naturschoͤnheiten aller Art, aber auch an Gegenden, wo nur düustere
Wälder und kahle Bergrücken dem Auge sich darstellen, wo kein Sing—
vogel nistet und nur selten eine Biene summt, wo keine Rebe prangt,
sellen Korn gedeiht und gewiß Unzählige sterben, die nie eine Pfirsiche
oder Weintraube gesehen, geschweige denn gekostet haben. Ausgedehnte
Waldungen bedecken besonders die höheren Gegenden und versorgen
einen großen Theil des Niederlandes mit Holz. i an Torf und
Steinkohlen ist kein Mangel. Die wellenförmige Gestalt und die
felsige Beschaffenheit des Bodens erschweren Feld- und Gartenbau: das
rauhe Klima vereitelt in den höchsten Gegenden nicht selten die größten
Anstrengungen des Landmannes. Der beste Segen der Felder sind
Hafer, Lein und Kartoffeln. Letztere vertreten meistentheils die Sielle
des Brotes. Sie geben dem Armen, oft nur mit Salz, seltener mit
Butter oder Leinöl, sein Morgen-⸗, Mittag- und Abendbrot. Gar oft
zählt man sie den Kindern wie Leckerbissen zu; und sich daran satt essen
zu können, ist mancher Familie eine wahre Erquickung. Ohne Getreide⸗
zufuhr aus den anstoßenden Landschaften würde der arme Erzgebirger
oft hungern müssen.
A. Der Erzgebixger ist zufrieden mit wenigem, dabei treuherzig im
Umgange. Ganz besonders eigen ist ihm der Fleiß und die Sorge