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habe läuten lassen. Sprach dieser: „Eure Majestät, der
Schauferle Hans, der früher Schauferlebauer war.“ — Als
der König dies erfahren hatte, ließ er allsogleich den Schauferle
Hans herbeiholen und fragte ihn, warum er die Glocke habe
läuten lassen. Da erzählte Hans, wie er des Grafen wegen
von Haus und Hof gekommen sei, weil die Gerechtigkeit nicht
mehr lebe. Der König war über die Richter sehr ergrimmt,
machte kurzen Prozeß und gab dem Bauern sein Eigentum
zurück. Dann ließ er den Grafen, den pfiffigen Advokaten
und die bestochenen Richter rufen, die Sache untersuchen und
verurteilte alle zum Tode. Sie wurden in n einer
Glocke aufgehängt, und in ihrer Mitte zappelte der Graf.
Seitdem kam aber die Gerechtigkeit wieder zu leben, und die
Richter sprachen Recht, wie es sich geziemt.
(Mündlich bei Reutte; aus Kinder- und Hausmärchen Süddeutschlands“
von Ign. und Jos. Zingerle.)
128. Das Kloster auf dem großen Sankt Bernhard.
Wer vom Walliser Land hinüber nach Italien wandern
will, muß über den großen enß An seine Straße
hat die Menschenliebe ein Kloster oder Hospiz gebaut, welches
von 10 bis 12 Mönchen bewohnt wird Kaum vier Monate
im Jahre ist das Kloster frei von Schnee; er umgibt das
Gebäude durchschnittlich in einer Tiefe von ungefähr 2m,
wächst aber bei einem neuen Schneefalle nicht selten bis zu
13 in an. Die Luft ist so scharf, daß es selbst während des
Sommers in den frühen Morgenstunden gefriert und daher
stets warme Zimmer für die einsprechenden Reisenden in
Bereitschaft gehalten werden müssen; dieselben finden aber
auch außerdem eine vortreffliche Bewirtungß der Saal ist
wohl ausgestattet; die Schlafzimmer sind von der größten
Reinlichkeil und mit allem versehen, was man für eine Nacht
der Ruhe und Stärkung nur beanspruchen kann.
Die Mönche machen dabei die liebenswürdigsten Wirte;
denn sie sind meist Männer aus guten Familien und wohl
vertraut mit allen Formen des geselligen Lebens. Man ver—
gißt in ihrem Hause, daß man einige täusend Meter über
der bewohnten Erde sich befindet, und daß diese Männer
ein strenges Ordensgelübde abgelegt und sich nicht nur
verpflichtet haben, den bei ihnen Einsprechenden Gastfreund—
schaft zu erweisen und ihnen als Führer zu dienen, sondern
auch die Verunglückten mit Gefahr ihres eigenen Lebens