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J. Bilder aus der Ferne.
allen Hirscharten die gedrungenste und kräftigste Gestalt. Der ganze Bau
dieses Tieres ist zum Ertragen von Beschwerden, zum Ziehen von Lasten
eingerichtet. Auch weiß es sich auf einem Boden zu ernähren, der acht Monate
des Jahres mit Schnee und Eis bedeckt ist. Hunger erträgt es ohne viel
Beschwerde; Moos ist sein Lieblingsgericht. Trotz dieser kärglichen Nahrung
überwindet es aber viel besser als das Pferd alle Schwierigkeiten, welche
Schnee- und Eisfelder bieten. Unglaubliches vermag es vor dem Schlitten
zu leisten. Wegstrecken, zu denen der Lappe im Sommer drei Tage ge—
braucht, durchläuft es im Winter in einem Tage. Nur gegen die Wärme
und die Mücken ist es empfindlich. Kommt daher die kurze Sommerzeit, so
ist der Lappe gezwungen, mit seinem Renntiere aus den warmen Tälern
auf die Berge zu flüchten, und selbst da sucht es sich gern ein Schneefeld
zum Ruhen aus. — So ist der Bewohner des Nordens von Europa ein
Nomade geworden, weil die Renntiere, welche ihm Kleidung und Nahrung
geben, Nomaden sind. Im Winter lebt er in den Tälern; im Sommer
schlägt er seine Zelte auf den Bergen auf. Birkenstämme bilden das Gerüst,
Renntierfelle die Decke des Zeltes, in welchem nicht nur Weib, Kind und
Gesinde, sondern auch die Hunde Aufenthalt nehmen. Diese treiben jeden
Tag die Herden zum Melken zusammen, und wie der Lappe keine andre
Milch als die seiner Renntiere kennt, so kennt er auch kein andres Bett
als ihr Fell. Seine Herden sind sein einziger Reichtum, und das Glück
und Unglück hängt hier von dem Besitz eines einzigen Tieres ab. Wer
Herr einer Herde von 1000 Renntieren ist, gilt für einen reichen Mann.
Wird dem Lappländer ein Kind geboren, so beschenkt er es mit einem Renn—
tierkalbe; bekommt es den ersten Zahn, so wird es wieder mit einem solchen
Geschenke bedacht.
Karl Gude.
216. Mankreich und Paris.
Das von der Natur reich ausgestattete Gebiet Frankreichs erstreckt
sich von den Pyrenäen bis zur Straße von Calais und vom Atlantischen
Meere bis zu den Westalpen. Ein mildes Klima begünstigt die Frucht—
barkeit der welligen Ebenen, deren Anbau etwa die Hälfte der Bevölkerung
beschäftigt. Vorzugsweise wird Weizen angebaut; daneben ist der Weinbau
von größter Bedeutung, und wo die Rebe nicht mehr gedeiht, reifen edle
Obstsorten in überreicher Fülle. Dagegen hat Frankreich Mangel an
Wäldern, und auch seine Viehzucht ist unzureichend. Der Boden des Landes
ist besonders im Osten und Nordosten reich an Steinkohlen und Eisen.
Außerordentlich entwickelt ist die französische Gewerbtätigkeit. Neben
Seide und Tuch liefert Frankreich vor allem Luxus- und Modewaren für