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L. Aus der Geschichte des deutschen Volkes.
Nie, selbst im Tode nicht, trennte er sich von seinen Waffen; Lanze und
Mann waren gleichbedeutend. Bewaffnet erschien er zum Feste, bewaffnet
in der Versammlung der Gemeinde; Waffen gab er selbst seiner Braut
zum Geschenke, damit die künftige Gefährtin des Lebens das Teuerste mit
ihm teile.
Die Hauptwaffen der alten Deutschen waren der Schild und ein Spieß
mit kurzer, scharfer Eisenspitze, zum Kampfe in der Nähe sowohl, als zum
Wurfe tauglich. Statt der Helme dienten wohl die Felle wilder Tiere;
Rachen und Hörner ragten drohend über dem Kopfe hervor und gaben dem
Heere ein schreckenerregendes Ansehen.
Drohte dem Lande ein Feind, so wurden die freien, wehrhaften Männer
aller Gaue zu den Waffen gerufen. Von Herd zu Herd, von Hof zu Hof
erschallte der Aufruf, und alles eilte gerüstet herbei. Das war der Heer—
bann oder die Landwehr.
Vor dem Angriffe ertönten kriegerische Instrumente, Hörner von Auer—
ochsen; die Schilde wurden schrecklich dröhnend aneinander geschlagen, und
mit einem fürchterlichen Geschrei begann der Kampf. Von der Wagenburg
herab, ihm im Rücken, vernahm der Mann im heißen Schlachtgetümmel der
Kinder Geschrei, der Weiber ermunternden Zuruf. Pflege der Verwundeten,
Erquicken und Anspornen der Gesunden war der Weiber Geschäft. Kein
Wunder, wenn der Mann im Angesichte der teuersten Unterpfänder seiner
Liebe so begeistert focht, wenn das Flehen der Weiber und das Gewimmer
der Kinder wankende Schlachtreihen wieder stehend machte.
Krieg ging über alles. Selbst die Spiele waren kriegerisch. Lust—
gefechte und Schwerttanz waren die Freude der Jugend und weckten bei den
Älten die heitern Bilder der Vergangenheit. Zwischen bloßen Schwertern
und starrenden Lanzen tanzten die Jünglinge umher und achteten der Gefahr
nicht, die ihnen von allen Seiten drohte. Laut war dabei der Jubel, frisch
die Freude, und selbst der Greis wurde zum Jünglinge, indem er sich unter
die lebenslustige Jugend mischte.
Im Frieden ergaben sie sich meist der trägen Ruhe. Die Sorge für
Acker und Herd blieb Weibern und Knechten überlassen. Die freien Männer
lagen den größten Teil des Tages auf einer Bärenhaut neben dem Herde
hingestreckt, oder sie zechten miteinander von ihrem berauschenden Met. Streit,
Verwundung und Totschlag waren dabei nicht selten. Beim Trinken ward
gewürfelt und zwar mit solcher Leidenschaft, daß, wenn die Habe verspielt
war, auf den letzten Wurf das höchste Gut, die Freiheit, gesetzt wurde.
Der Verlierende trat sogleich ohne Widerstand seine Knechtschaft an. Doch
auch Würdigeres ward beim frohen Becher betrieben. Weil hier das Herz
sich leichter aufschließt, so beriet man sich über die wichtigsten Angelegenheiten