Full text: Erstes Lesebuch für die Oberstufe (Teil 5, [Schülerband])

Die Rache. 
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der Ritter seine gebrochene Lanze mit einer andern, und besonders tapfere 
Ritter brachen wohl fünfzig Lanzen an einem Tage. Nach dem ersten 
Kümpferpaare wurde das zweite aufgerufen, dann das dritte und so fort, 
meist drei Tage lang, oft aber auch wochenlang. Manchmal traten die 
Ritter auch scharenweise gegeneinander auf. Wenn die Ritter abgetreten 
waren, hielten wohl die Knappen ein sogenanntes Gesellenstechen. 
3. Den Beschluß der Ritterspiele machte die Verteilung des Dankes, 
d. h. des Kampfpreises. Dieser wurde nach dem Ausspruche der Kampf— 
richter demjenigen Ritter erteilt, welcher sich am meisten ausgezeichnet hatte. 
Unter dem Schalle der Pauken und Trompeten wurde der Name des Siegers 
mit lauter Stimme ausgerufen. Dann nahte sich dieser ehrerbietig den 
Damen, welche den Dank verteilten, und empfing auf den Knien aus schöner 
Hand irgend ein teures Kleinod, einen Helm, ein Schwert, eine goldne Kette 
oder einen Ring und dergleichen. Pauken und Trompeten erklangen dabei 
aufs neue. Es ward nun der Sieger feierlich unter gewaltigem Zulaufe der 
schaulustigen Menge in das Schloß geführt. Hier empfingen ihn huldvoll 
die Edelfrauen, nahmen ihm die schwere Rüstung ab und schmückten ihn mit 
den prachtvollsten Festkleidern. Am Abend war große Tafel und großer Fest— 
ball. Der Sieger erhielt beim Festmahle einen reich verzierten Ehrenplatz; er 
eröffnete auch den Ball. 
4. Die Turniere waren ein schönes und edles, aber auch sehr gefähr⸗ 
liches Vergnügen. Oft fiel bei ihnen großes Unglück vor. Mancher Ritter 
stürzte in seiner schweren Rüstung vom Pferde und brach Arm und Bein. 
Mancher wurde von seinem Gegner tödlich verwundet oder gar auf der Stelle 
getötet. So hatte im Jahre 1559 der König von Frankreich, Heinrich II. 
das Unglück, einen Lanzenstich durch das rechte Auge in den Kopf zu erhalten 
und an der Wunde zu sterben. Wegen so vieler Unglücksfälle eiferte die 
Geistlichkeit sehr gegen diese Spiele und versagte denen, welche in Turnieren 
gefallen waren, ein christliches Begräbnis. 
Theod. Bernh. Welter. 
247. Die Rache. 
Der Rnecht hat erstochen den edeln Herynm, 
der Rnecht war selber ein Ritter gern. 
Er hat ihnm erstochen im dumseln Huim 
und den Leib verseonsiet im tigfen Rheim,; 
hat angeleget die Rustumgq bluml-, 
auò des Herren Roß sich gesohnume frumt. 
Und als er gprengen will uber die Briicl, 
da stuteet das Roß am bνnt ν. 
F. Hirts Deutsches Lesebuch. Ausg. B. V. 
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