Full text: [Abtheilung 1, [Schülerband]] (Abtheilung 1, [Schülerband])

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schrie mit den Kindern laut auf. Da hörten sie in der 
Küche plötzlich einen Fall. Alle eilten nach der Küche. 
Hier sahen sie auf dem Herde ein Gemslein, das die 
beiden Hinterfüße gebrochen hatte. Es war gerade über 
den Schornstein gelaufen, und da die Schneedecke durch die 
Bemühungen des Vaters mit der Stange dünner geworden 
war, so brach sie mit dem Thiere durch. Die Freuden- 
thränen wollten kein Ende nehmen. Den Knaben aber fand 
man, als man in die Stube zurückkehrte, auf seinem Blocke 
friedlich eingeschlafen. Das Gemslein wurde geschlachtet und 
sein Fleisch reichte just so lange, bis die Bewohner des 
nahen Dorfes Hilfe bringen konnten. 
219. Wilhelm Test. 
Der Landvogt Geßler ließ zu Altorf am Platze bei 
der Linde, wo viele vorübergiengen, eine Stange aufrichten, 
einen Hut oben darauf legen und gebieten, daß jeder der 
vorübergienge, sich dem Hute neigen sollte, als ob der 
Kaiser selbst zugegen wäre, widrigenfalls ihn Verlust seines 
Gutes und Leibesstrafe treffen würde. Auch stellte er einen 
steten Wächter hin, der diejenigen anzeigen sollte, welche dem 
Gebote nicht Folge leisteten.. Da gieng an einem Sonn¬ 
tage im November ein redlicher frommer Landmann, Wil¬ 
helm Tell genannt, an dem aufgesteckten Hute vorüber, 
ohne sich vor ihm zu neigen. Das ward dem Landvogt 
angezeigt. Morgens darnach, am Montage, beruft er den 
Tell vor sich und fragt, warum er seinem Gebote nicht 
gehorsam wäre und dem Kaiser, wie auch ihm zum Trotz 
sich vor dem Hute nicht geneigt hätte. Tell antwortete: 
„Lieber Herr, es ist von ungefähr und nicht aus Verachtung 
geschehen; ich dachte nicht, daß es Euer Gnaden so hoch 
ansehen würden." Nun war Tell ein guter Armbrust¬ 
schütze, daß man einen bessern kaum fand, und hatte hübsche 
Kinder, die ihm lieb waren. Die ließ der Landvogt holen 
und sprach: „Tell, welches unter den Kindern ist dir 
das liebste?" Tell antwortete: „Herr, sie sind mir alle 
gleich lieb." Da sprach der Landvogt: „Wohlan, Tell, 
du bist ein guter Schütze wie ich höre; nun wirst du deine
	        
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