16. Die Erde und die Sonne.
Merke erstlich! Wollte einer weggehen und das Ende der Erde
sehen, er wird es doch nicht sinden. Er kann reisen, wohin er will,
durch Deutschland, durch Rußland nach Asien hinein, vom Lande aufs
Wasser und vom Wasser aufs Land, aber endlich kommt er doch wieder
in felne Heimat. Rämlich er reist um die Erde, wie man einen
Strich mu Kreide um eine Kugel herumzieht und kommt zuletzt wieder
auf den alten Fleck, von dem er ausging. Es sind schon viele solcher
Reisen um die Erde nach verschiedenen Richtungen gemacht worden.
In einem oder in zwei Jahren, ja in wenigen Monalen, je nachdem,
ist alles geschehen.
Daraus und aus mehreren sichern Anzeichen erkennen die Gelehr⸗
ten folgendes: Die Erde ist nicht eine ausgebreitete runde Fläche
nein, se ist eine ungeheure Kugel. Ferner: Sie hängt und schwebt
frel, ohne Unterstützung, wie die Sonne und der Mond, in dem un—
ermeßlichen Raume des Weltalls, unten und oben zwischen lauter himm⸗
lischen Sternen. Noch mehr: Sie ist rings um und um, wo sie Land
hat, und wo die Hitze oder der bittere Frost es erlaubt, mit Pflanzen ohne
Zahl besezt und von Tieren und vernünftigen Menschen belebt. Man
muß nicht glauben, daß auf diese Art ein Teil der Geschöpfe abwärts
haͤnge und in Gefahr stehe, von der Erde weg in die Luft herabzu⸗
fallen. Dies ist lächerlich. Überall werden die Körper durch ihre
Schwere an der Erde gehalten und können ihr nicht mehr entlaufen.
überall nennt man untsen, was man unter den Füßen hat, und oben,
was uͤber dem Haupte hinaus ist. Niemand merkt oder kann sagen,
daß er unten sei. Alle sind oben, so lange sie die Erde unter den
Fuüßen und den Himmel voll Licht oder Sterne über dem Haupte haben.
Aber ihr werdet nicht wenig erstaunen, wenn ihr zum ersten Male
hören solltet, wie groß diese Kugel sei. Denn der Durchmesser der
Erde beträgt in gerader Linie von einem Punkt der Oberfläche durch
den Mittelpunkt hindurch zum andern Punkt eintausend siebenhundert
und zwanzig deuische Meillen. Von der Oberfläche der Erde sind drei
Viertel Wasser und ein Viertel Land. Das haben die Gelehrten mit
großer Genauigkelt ausgemessen und ausgerechnet und sprechen davon
wie von einer gemeinen Sache. Aber niemand kann die göttliche All—
macht begreifen, die diese ungeheuer große Kugel schwebend in einer
unsichtbaren Hand trägt und sedem Pflänzlein darauf seinen Tau und
sein Gedeihen giebt, und dem Kindlein, das geboren wird, einen leben⸗
digen Odem in die Nase. Man rechnet, daß über tausend vierhundert
Millionen Menschen zu gleicher Zeit auf der Erde leben und bei dem
lieben Gott in die Kost gehen, ohne die Getiere. Aber es kommt noch
besser. Denn zweitens: Die Sonne, so nahe sie zu sein scheint, wenn
sie rüh hinter den Bergen in die frische Morgenluft hinaufschaut, so
ist sie doch über zwanzig Millionen Meilen weit von der Erde entfernt.
Aber eine solche Zahl laͤßt sich geschwinder aussprechen, als ausdenken.
Darum merke: Wenn auf der Sonne eine scharf geladene Kanone
stünde, und der Kanonier, der hinten steht und sie richtet, zielte auf