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Hamburg ins Ausland. Wen berührt es nicht eigenartig, wenn er
sich vergegenwärtigt, daß ein Strom, der bei seiner Mündung
Tausende von Schiffen aller Nationen) trägt, einen so kleinen Ur—
sprung hat!
A. Mauer.
145. Im Spreewalde.
Es ist ein frischer, duftiger Norgen am Anfange des Juni.
Die Sonne spiegelt sich in den unzähligen Wasserstrassen, welche
weite, üppige Wiesenflächen und fruehtbare Felder wie die Maschen
eines Netzes kreuzweise durchziehen. Schnell und lautlos gleitet
unseèr Kahn über das blitzende Wasser dahin; ein kräftiger,
schmucker Bursche steht am Hinterteile des Fahrzeuges und schiebt
es dureh eine lange Stange geschickt weiter. Vir sind im wen-
dischen Spreewalde. Wir gleiten an einzelnen zerstreut liegenden
Bauernhausern vorüber, die höchst schmucklos aus Holz ge—
zimmert und mit Rohr bedeckt sind. Die Bewohner sind fast
sümtlich auf den ckern tätig. Es sind derbe und frische
Gestalten mit blondem Haare, blauen Mugen und runden, gut-
mũtigen Gesichtern. Die Männer sind in grobe, graue Leinwand
gekleidet. Die Tracht der Frauen ist malerisch bunt: rot und
blau und gelb gestreifte Röcke, weisse aufgeschürzte Hemd-
ärmel und ein rot und gelb geblümtes Kopftueh, leicht zum
Schutze gegen die Sonne um den Kopf geschlungen. Auf Schube
und Strümpfe verziehtet der Spreewälder während des ganzen
dommers.
Diese Leute sind sparliche Resste des einst so mãchtigen
wendischen Volksstammes. Sie sprechen heute noch die Sprache,
welche ihre Vãter vor tausend Jahren geredet haben und halten
an den ditten und Gebräuchen der Altvordern fest. Die Vilduis,
welehe vor Zeiten der Spreewald war, urbar zu machen, hat viel
Arbeit gekostet. Die unzähligen Gräben mussten mit dem Spaten
gegraben und abgedämmt werden, um den Sumpfboden trocken
zu legen. Dadureh sind die fettesten Miesen, das fruchtbarste
Gartenland entstanden. Die Zwiebeln, Gurken und der Meer—
rettich des Spreewaldes sind weit und breit gesuchte Ware
Auch die Wiesen bringen viel ein; das Spreewaldheu geht sogar
bis Berlin. Im Winter stehen alle Wiesen voll grosser Heu—
Völlerschaften.