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nach ihm sehnt,“ antwortete die barmherzige Schwester. „Vater und
Mutter starben, während er im Kriege war, und er hat weder Bruder
noch Schwester, keinen, der für ihn betet und ihn erwartet
Und ohne ein Wörtchen zu sagen, schauten sich die Geschwister
an, gingen hin zu dem Einsamen und legten den roten Apfel in seine
Hände. „Wir wollen für dich beten,“ sagten sie. — Der Allerärmfte
war gefunden. —
Da hat denn die barmherzige Schwester jenen fremden, traurigen
Mann zum ersten⸗ und einzigenmale lächeln sehen.
Elise Pollko.
197. Der Abschiedsbrietf.
In der Schlacht bei Metz war ein braver Soldat schwer
verwundet worden. Krankenträger hatten ihn vom Sehlacht—
felde aufgehoben, auf einen Wagen gelegt und ins Lazarett ge-
fahren. Dort brachte man ihn in einen geräumigen Saal, in dem
noceh andere Verwundete gepflegt wurden. Eine Diakonissin
verband seine Wunden und wartete seiner auf dem Schmerzens-
lager. Aber trotz aller liebevollen Pflege heilte die Wunde nicht.
Der Kranke lag wochenlang und ertrug geduldig die heftigsten
Schmerzen ohne Murren. Eines Tages fühlte er, dass sein Unde
nahe. Da rief er mit fester Stimme und getrostem Mute seine
Pflegerin und sprach zu ihr: „Nehmen Sie Tinte, Feder und
Papier und sehreiben Sie, was ich Ihnen sagen werde, aber schnell
— sehnelll· Die Schwester setzte sich, und er diktierte ihr
einen Brief an seine Eltern. Der lautete so:
Liebe Eltern!
Wenn Ihr diesen Brief erhaltet, werde ieh nieht mwehr am
Leben sein. Uein letzter Wunsch ist, grämt Euch nicht und er—
füllet meine letate Bitte. Ieh danke Euch für alles — alles Gute,
was Bhr mir getan habt, und bitte Euch aueh alles Böse ab,
wodureh ieh Euch Kummer und Sorge gemacht habe. Grülset,
liebe Eltern, alle Bekannten und Verwandten von Eurem Sohne
Wilhelm. Liebes MNutterehen, also nicht gegrämt; heute rot —
morgen tot, — ist des Soldaten Los. Gott sehütze unser teures
Vaterland und unsern grossen Königl
198. Kaiser Friedrich und die deutsche Jugend.
Das edle Herz des unvergeßlichen Kaisers Friedrich hat der
Jugend immer warm entgegengeschlagen; die Kinderwelt mit ihrer