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5. Doch siehe, der Zöllner erkennt ihn nicht,
zu sehr hat die Sonn’ ihm verbrannt das Gesicht.
6. Und weiter wandert nach kurzem G-russ
der Bursche und schüttelt den Staub vom Fuss.
7. Da schaut aus dem Fenster sein Schätzei fromm.
„Du blühende Jungfrau, viel schönen Willkomm!“
8. Doch sieh, auch das Mägdlein erkennet ihn nicht,
die Sonn’ hat zu sehr ihm verbrannt das Gesicht.
9. Und weiter geht er die Strass’ entlang,
ein Thränlein hängt ihm an der braunen Wang’.
10. Da wankt von dem Kirchsteig sein Mütterchen her.
„Gott grüss’ Euch!“ so spricht er und sonst nichts mehr.
11. Doch sieh, das Mütterchen schluchzet voll Lust:
„Mein Sohn!“ und sinkt an des Burschen Brust.
12. Wie sehr auch die Sonne sein Antlitz verbrannt,
das Mutteraug’ hat ihn doch gleich erkannt.
Vogl.
27. Die goldene Dose.
Ein Oberst zeigte den Offizieren, die bei ihm speisten, bei Tische
eine neue, sehr schöne goldene Dose. Nach einer Weile wollte er eine
Prise Tabak nehmen, suchte in allen Taschen und sagte bestürzt: „Wo
ist meine Dose? Sehen Sie doch einmal nach, meine Herren, ob nicht
etwa einer sie in Gedanken eingesteckt habe."
Alle standen sogleich aus und wendeten die TMen um, ohne daß
die Dose zum Vorschein kam. Nur der Fähnrich^olieb in sichtbarer
Verlegenheit sitzen und sagte: „Ich wende meine Taschen nicht um,
mein Ehrenwort, daß ich die Dose nicht habe, sei genug!" Die Offiziere
gingen kopfschüttelnd aus einander, und jeder hielt ihn für den Dieb.
Am andern Morgen ließ ihn der Oberst rufen und sprach: „Die
Dose hat sich wieder gefunden. Es war in meiner Tasche eine Naht
aufgegangen, und da fiel sie zwischen dem Futter hinab. Nun sagen Sie
mir aber, warum Sie Ihre Tasche nicht zeigen wollten, was doch alle
übrigen Herren Offiziere gethan haben?"
Der Fähnrich sprach: „Ihnen allein, Herr Oberst, will ich es gern
bekennen. Meine Eltern sind arm. Ich gebe ihnen daher meinen halben
Sold und esse mittags nichts Warmes. Als ich zu Ihnen eingeladen
wurde, hatte ich mein Mittagsessen bereits in der Tasche — und da