Full text: [Teil 4 = Kl. 5 u. 4] (Teil 4 = Kl. 5 u. 4)

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Gutes erwiesen habe. Es war ihm nicht unbekannt, daß er sich bei seinem 
Spottnamen nicht ungestrast rufen lasse; doch wußte er ihm auf keine 
andere Weise beizukommen; also wagte er's auf eine Prügelei und rief, 
so sehr er konnte: „Rübezahl! Rübezahl!" 
Auf diesen Ruf erschien alsbald eine Gestalt, gleich einem rußigen 
Köhler, mit einein fuchsroten Bart, der bis an den Gürtel reichte, mit 
feurigen, stieren Augen und bewaffnet mit einer Schürstange, gleich einem 
Weberbaum, die er mit Grimm erhob, den frechen Spötter zu erschlagein 
„Mit Gunst, Herr Rübezahl," sprach Veit ganz unerschrocken, „verzeiht, 
wenn ich Euch nicht recht tituliere; hört mich nur an, dann tut, was 
Euch gefüllt!" Diese dreiste Rede und die kummervolle Miene des 
Mannes, die weder auf Mutwillen noch Vorwitz deutete, Besänftigten den 
Zorn des Geistes etwas. „Erdenwurm," sprach er, „was treibt dich, mich 
zu beunruhigen? Weißt dn auch, daß du mir mit Hals und Haut für 
deinen Frevel büßen mußt?" „Herr," antwortete Veit, „die Not treibt 
mich zu Euch; ich habe eine Bitte, die'Ihr mir leicht gewähren könnt. 
Ihr sollt mir hundert Taler leihen; ich zahle sie Euch mit landesüblichen 
Zinsen in drei Jahren wieder, so wahr ich ehrlich bin." „Tor," sprach 
der Geist, „bin ich ein Wucherer, der auf Zinsen leiht? Geh hin zu 
deinen Menschenbrüdern und borge da, so viel dir not tut; mich aber laß 
in Ruh'." „Ach!" erwiderte Veit, „mit der Menschenbrüderschaft ist's aus." 
Hierauf erzählte er ihm seine Geschichte und schilderte ihm sein drückendes 
Elend so rührend, daß ihm der Berggeist seine Bitte nicht versagen konnte, und 
wenn der arme Tropf auch weniger Mitleid verdient hätte, so schien doch dem 
Geist das Unterfangen, von ihm ein Kapital zu leihen, so neu und sonderbar, 
daß er geneigt wurde, des Mannes Bitte zu gewähren. „Komm, folge mir!" 
sprach er und führte ihn darauf waldeinwärts in ein abgelegenes Tal zu 
einem schroffen Felsen, dessen Fuß ein dichter Busch bedeckte. 
Nachdem sich Veit und sein Begleiter mit Mühe durchs Gesträuch 
gearbeitet hatten, gelangten sie zum Eingänge einer finsteren Höhle. Dem 
guten Veit war aber nicht wobl dabei zu Mute, da er so im Dunkeln 
tappen mußte; es lief ihm ein kalter Schauer nach dem andern den Rücken 
herab, und seine Haare sträubten sich empor. „Rübezahl hat schon manchen 
betrogen," dachte er; „wer weiß, was für ein Abgrund mir vor den 
Füßen liegt, in den ich beim nächsten Schritt hinabstürze." Dabei hörte 
er fürchterliches Brausen wie von einem Bergstrome, der sich in den 
tiefen Schacht ergießt. Je weiter er fortschritt, desto mehr engten ihm 
Furcht und Grausen das Herz ein. Doch bald sah er zu seinem Trost 
in der Ferne ein blaues Flämmchen hüpfen; das Berggewölbe erweiterte 
sich zu einem großen Saale; das Flämmchen brannte hell und schwebte 
wie ein Hängeleuchter in der Mitte der Felsenhalle. Auf dem Pflaster 
des Raumes fiel ihm eine kupferne Braupfanne in die Augen, mit harten 
Talern bis an den Rand gefüllt. Da Veit den Geldschatz erblickte, schwand
	        
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