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55. Das Wunderkästchen.
EChr. v. Schmid.
Erzählungen. München. S. 153.
Eine Hausfrau hatte in ihrer Haushaltung allerlei Unglücks—
fälle, und ihr Vermögen nahm jährlich ab. Da ging sie in den
Wald zu einem alten Einsiedler, erzählte ihm ihre betrübten Umstände
und sagte: „Es geht in meinem Hause einmal nicht mit rechten
Dingen her. Wißt ihr kein Mittel, dem Übel abzuhelfen?“
Der Einsiedler, ein fröhlicher Greis, hieß sie ein wenig warten,
brachte über ein Weilchen ein kleines, versiegeltes Kästchen und
sprach: „Dieses Kästchen müßt ihr ein Jahr lang, dreimal des
Tages und dreimal bei Nacht, in Küche, Keller und Stallung
und allen Winkeln des Haufes umhertragen, so wird es besser
gehen. Bringt mir aber übers Jahr das Kästlein wieder zurück.“
Die gute Hausfrau setzte in das Kästchen ein großes Vertrauen
und trug es fleißig umher. Als sie den nächfen Tag in den
Keller ging, wollte eben ein Knecht einen Krug Bier heimlich
hinauftragen. Als sie noch spät bei Nacht in die Küche kam,
hatten die Mägde sich einen Eierluchen gebacken. Als sie die
Stallungen durchwanderte, standen die Kühe tief im Kot, und
die Pferde hatten statt des Hafers nur Heu und waren nicht
gestriegelt. So hatte sie alle Tage einen Fehler abzustellen.
Nachdem das Jahr herum war, ging sie mit dem Kästchen
zum Einsiedler und sagte vergnügt: „Alles geht nun besser.
Laßt mir das Kästchen nur noch ein Jahr, es enthält ein gar treff⸗
liches Mittel.“
Da lachte der Einsiedler und sprach: „Das Kästchen kann ich
euch nicht lassen; das Mittel aber, das darinnen verborgen ist,
sollt ihr haben.“
Er öffnete das Kästchen, und siehe, es war nichts darin, als
ein weißes Blättchen Papier, auf dem geschrieben stand:
„Soll alles wohl im Hause stehn,
So mußt du selber wohl nachsehn.“
56. „Das ist besser.“
Westphal u. Reinhard: Kinderkalender.
Lesebuch für Bürger- u. Volksschulen von Scharlach u. Haupt. S. 49.
In einer der belebtesten Straßen der Hauptstadt bemerkte ich
einst ein kleines, wohlgekleidetes Mädchen, das zuerst eine Weile