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58. Der Gotteskasten.
Fr. Adolf Krummacher.
Parabeln. Essen 1817. III. S. 191.
Es war einmal ein wohlhabender, angesehener Mann, des
Name hieß Benediktus, das heißt Segenreich. Solchen Namen
führte er mit Recht; denn Gott hatte ihn reichlich init Gütern
gesegnet, und alle Welt segnete ihn desgleichen, weil er jeden
zu erfreuen suchte, den Fremdling wie den Nachbar, besonders
die Armen und Notleidenden. Er tat aber folgendermaßen:
Wenn er einen frohen Tag gehabt hatte mit seinen Freunden,
ss ging er in sein Kümmerlein und dachte: Es sind viele, die
keines solchen Tages sich erfreut haben, und was wäre es, venn
ich der Gäste noch einmal so viel geladen hätte? — Also legte
er von seinem Gelde so viel, als ihm die Mahlzeit gekosiet,
in eine Lade, die nannte er den Gotteskasten. Desgleichen,
wenn er vernahm, daß irgendwo eine Feuersbrunst gewuüͤtet, so
gab er seinen Beitrag reichlich; darauf sah er sein Haus an und
ging in sein Kämmerlein und sprach: „Alles steht bei mir fest
und unversehrt!“ und legte dafür in den Gotteskasten. Aber—
mals, wenn er von Hagelschlag, Wassersnöten und andern
Unfällen hörte, legte er dafür in den Gotteskasten.
Als er nun sterben sollte, da klagten und weinten die Armen,
die Witwen und Waisen und sprachen: „Wer wird unser sich
erbarmen, wenn Benediktus von uns scheidet?“
Er aber sprach: „Ein guter Hausvater sorget, daß auch
dann, wenn er nicht daheim ist, den Kindlein nichts gebricht.
So nehmet den Gotteskasten mit allem, was darinnen ist! Er
gehört den Armen, den Witwen und Waisen; teilet davon aus
und verwaltet es wohl und weislich!“ Darauf starb er, und
es geschah, wie er gesagt hatte.
Also besteht der Gotteskasten seit hundert Jahren zum Trost
der Bedürftigen, und des Mannes Andenken bleibt in Segen.
59. Die Erdbeeren.
Chr. v. Schmid.
Gesammelte Schriften. Augsburg 1861. 15. Bändchen. Kurze Erzählungen. Sa 16.
Ein alter Soldat mit einem Stelzfuße lam in ein Dorf
und wurde plötzlich kranl. Er konnte nicht mehr weiter reisen,