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7. Die Tanne.
die Erde nach Engerlingen bohren, die sie mit scharfem Geruch im
Boden wittern. Gerne solgen sie auch dem Pflug und lesen die heraus—
geackerten Insekten und Würmer auf. Unter den verderblichen Mai—
käfern aber richten sie die größten Niederlagen an, indem einige auf
die Bäume fliegen und oben sich satt fressen während die andern auf
dem Boden die zahlreich herabfallenden Käfer aufpicken. Die Saat—
krähen sind Zugvögel und bleiben nur in der milderen Jahreszeit
bei uns. Tschudi.
7. Die Tanne.
1. Ein Vater, der viele Kinder hat, giebt diesen an den langen
Winterabenden mancherlei Beschäftigung. Wenn alle bei dem Scheine
des Lichts vertraulich im warmen Stübchen sitzen, erhält jedes seine Arbeit.
Ein Knabe schreibt, der andere liest, ein Mädchen strickt, das andere näht.
Der große Vater über alles thut es ähnlich. Jedem Menschen giebt er
seine Arbeit; jedem stellt er seine Aufgabe, die er erfüllen soll. Der eine
muß das Feld bebauen, der andere muß das Eisen schmieden; dieser muß
sägen und hobeln, jener Kleider oder Schuhe machen; dieser muß musi—
zieren, jener lehren, und der König muß das Land regieren. Doch
nicht nur die Menschen sind des lieben Gottes Kinder, auch die Tiere,
die Pflanzen und die Sterne sind es. Auch von diesen erhielt ein jedes
seine Arbeit, die es vollenden muß. Die Rose treibt schöne Blüten, und
der Apfelbaum trägt süße Früchte; das Getreide bildet die Körner, und
die Buche breitet das schöne Laub aus zum kühlen Schatten am heißen
Sommertage. Was ist es nun, was der Tannenbaum besorgen muß im
großen Haushalt des lieben Gottes? Was ist seine Arbeit? — In seiner
Kindheit ist der Tannenbaum ein kleines, kleines Körnchen, viel kleiner
als selbst der kleine Finger des kleinsten Kindes, und in seinem Alter ist
er viel größer als der größte Mann. Er hat auch viel mehr zu wachsen
als ein Mensch. Von dem Samenkörnlein strecken sich die Wurzeln aus;
sie kriechen emsig in der Erde weiter und suchen Nahrung. Die Wolke
sendet ihnen frischen Trank, die Sonne spendet ihnen warme Strahlen,
die Erde ist das weiche Bett und auch zugleich der Tisch, auf dem die
Speise ihnen vorgelegt ist. Bald wächst von solcher Pflege das Stämmchen
höher und höher. Eine bescheidene, braune Rinde umgiebt es; ein grünes
Unterkleid ist unter dieser, und innen ist weißes, schönes Holz, so weiß
wie frisches Linnen. Doch seine Blätter sind nicht so schön als Eichen—
oder Buchenblätter; schmal und dünn wie Nadeln starren sie nach allen
Seiten und stechen den, der sich unvorsichtig ihnen naht. Auch die Früchte
sind unansehnlich. Ungenießbar sind sie für uns, hart und holzig sind
die Schuppen, welche die Tannenzapfen bilden, und höchstens dienen sie
uns zum Brennen. Auch die Samenkörnchen, die zwischen jenen Schuppen