Full text: [Oberklassen, [Schülerband]] (Oberklassen, [Schülerband])

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Aber ihre Männer hatten ein jeglicher einen Hund, der 
Gerber als Jagdliebhaber einen großen, braunen Feldmann 
und der Bäcker einen kleinen, schneeweißen Mordax. Beide 
meinten, die besten und schönsten Tiere in ihrem Geschlechte 
zu haben. Und da geschah es denn eines Tages, daß 
Mordax esn Kalbsknöchlein gegen den Feldmann behauptete. 
Denn er hatte wahrscheinlich vergessen, daß es nicht gut sei, 
einem großen Herrn etwas abzuschlagen. Vom Knurren 
kam es zum Beißen und ehe sich der Bäcker von seiner 
grünen Bank vor dem Hause erheben konnte, lag sein Hünd- 
lein mit zermalmtem Genick vor ihm und der Feldmann lies 
mit dem eroberten Knochen und eingezogenem Schweif davon. 
Sehr ergrimmt und entrüstet warf der Herr des Ermordeten 
dem Raubmörder einen gewaltigen Stein nach. Aber was 
half's? Die Handgranate flog nicht dem Hunde an den 
Kopf, sondern dessen Besitzer durch das Fenster, mitten auf 
den Tisch, an dem er gerade die „Augsburger" las, und 
machte in den „Wiener Kongreß" ein Loch. Ohne zu fragen, 
woher der Schuß gekommen sei, riß der Gerber den zer¬ 
trümmerten Fensterflügel .ans und fing an zu schimpfen. 
Der Nachbar in der weißen Schürze und mit den auf¬ 
gestülpten Hemdärmeln blieb nichts schuldig; Kinder und 
Leute liefen zusammen und — hätte ich ihn nur sehen können! 
— Satan stand gewiß in einer Ecke und blies mit vollen Backen 
in das Feuer. Der Bäcker verließ den Kampfplatz zuerst, 
aber nur, um seinen Nachbar bei Gericht zu belangen. Die 
Sonne ging über dem Zorn der beiden Männer unter und 
den Tag darauf wurden sie vor Gericht geladen. Der 
Gerber wurde verurteilt, den totgebissenen Mordax mit einem 
Reichsthaler zu büßen, da doch, wie er sich als Jagdlieb¬ 
haber ausdrückte, der kleine Schäker nicht einen Groschen 
wert getvesen sei. Der Bäcker mußte für den zertrümmerten 
Fensterflügel und das Loch in der Zeitung nicht viel weniger 
bezahlen und sich mit seinem Widerpart in die angelaufenen 
Sporteln teilen. 
Von nun an war zwischen den beiden Familien eine 
große Kluft befestigt. Hinüber und herüber über die Gasse 
flog kein freundliches Wort mehr. Ging die Gerberin links 
zur Kirche, so nahm die Nachbarin ihren Weg rechts; saß der 
Bäcker im Posthanse außen in der Stube beim Bier, so nahm 
der Gerber seinen Platz im Kabinett. Für den ganz schuldlosen 
Teil, für die Kinder des Gerbers, gaben weder der Osterhase,
	        
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