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unseres Vaterlandes mit vielem Fleiße gepflegt, besonders in
Franken, Schwaben und den Rheinlanden. Ganze Schiffs—
ladungen mit Obst gehen von Heidelberg und vom Rheingau
nach London, von Stettin nach Rußland. Von gelrockneten
Zwetschgen werden Tausende von Zentnern verschickt; die
Obsterträgnisse mancher Gemeinden gehen ins Unglaubliche.
Außerdem bereiten sie viel Obstwein, ein kühlendes und
gesundes Getränk, das in manchen Gegenden mehr als das
Bier geschätzt wird, und mit Obstmus sieht sich womöglich
jede Hausmutter vor um ihren Kleinen im Winten in—
Leckerei aufs Brot zu streichen.
Nun, Obst möchtet ihr auch genug zu essen haben,
nicht wahr? Gut. Jetzt zehrt ihr von den Bäumen, die
euere Väter und Großväter gepflanzt haben; nun ist es
aber an euch, Bäume zu ziehen, und das geht sehr leicht.
Statt euere Obstkerne wegzuwerfen, sammelt sie, die Kerne
der Äpfel und Birnen gesondert, und legt sie in die seichten
Furchen eines Gartenbeetes, indem ihr sie leicht mit Erde
bedeckt. Nächstes Jahr habt ihr wilde Bäumchen genug.
Wie sie dann in andere Beete versetzt und späler voredelt
werden, könnte ich euch zwar sagen; da aber die Anweisung
zu weitläufig würde, so laßt es euch lieber von einem Sach—
verständigen zeigen und erklären! Ihr werdet es auch leichter
begreifen und an der Baumzucht gewiß viele Freude finden.
ach Lucas.
An jedem Raum
Pflanz einen Baum
Und pflege sein;
Er bringt dir's ein!
71. Die Einkehr.
Bei einem Wirte wundermild,
Da war ich jüngst zu Gaste;
Ein goldner Apfel war sein Schild
An einem langen Aste.
Es kamen in sein grünes Haus
Viel leichtbeschwingte Gäste,
Sie sprangen frei und hielten
Schmaus
Und sangen auf das beste.
Es war der gute Apfelbaum,
Bei dem ich eingekehret;
Mit süßer Kost und frischem Schaum
Hat er mich wohl genähret.
Ich fand ein Bett zu süßer Ruh'
Auf weichen, grünen Matten;
Der Wirt, er deckte selbst mich zu
Mit seinem kühlen Schatten.
Nun fragt' ich nach der Schuldigkeit,
Da schüttelt er die Wipfel.
Gesegnet sei er allezeit
Von der Wurzel bis zum Gipfel!
Ludw. Uhland.)