94 § 17: Entwicklungsgeschichte d. Macht d. Papsttums bis auf Gregor VII.
III. Die Durchführung der päpstlichen Hierarchie.
Die Sätze der Pseudoisidorischen Dekretalen waren ganz
nach dem Herzen der Kluniazenser; mit dem Wachsen des Ein¬
flusses der letzteren wurde daher zugleich der Verwirklichung
der päpstlichen Monarchie in der Kirche, d. h. der Hierarchie,
vorgearbeitet. Insofern dann Kaiser wie Otto Hl., Heinrich n.
und Heinrich III. in dem löblichen Bestreben, für die Besserung
der Kirche das Ihrige zu tun, mit den Kluniazensern Hand
in Hand gingen, bereiteten auch sie vor, was sich unter
Heinrich IV. erfüllte: die Befreiung des Papsttums von der
kaiserlichen Vormundschaft.
Ein für alles weitere Vorgehen entscheidender Schritt ge¬
schah nach Heinrichs III. Tod durch Papst Nikolaus II., der
seine Erhebung hauptsächlich den Bemühungen des Hauptes der
Reformpartei in Rom, des Kardinals Hildebrand, verdankte.
Auf der Lateransynode1) des Jahres 1059 ließ Nikolaus
den folgenschweren Beschluß fassen, daß künftig die Wahl des
Papstes von den Kardinalbischöfen, zu denen später noch
die übrigen Kardinalkleriker2) zugelassen wurden, vorge¬
nommen werden sollte. Die Spitze dieses Beschlusses war nicht
gegen den Kaiser, dessen Betätigungsrecht erst später aufgehoben
ward, gerichtet, sondern gegen den verderblichen Einfluß, den
bisher der römische Adel bei der Wahl des Papstes durch Klerus
und Volk von Rom ausgeübt hatte. Zugleich wurden aufs neue
scharfe Beschlüsse gegen die Priesterehe gefaßt.
Im gleichen Jahr gewann das Papsttum einen neuen Zu¬
wachs weltlicher Macht, indem der Normannenfürst Robert
Gruiscard und sein Bruder ihr in Unteritalien begründetes
Reich vom Papste zu Lehen nahmen.
Als zweiter Nachfolger von Nikolaus II. kam 1073 der
Kardinal Hildebrand auf den päpstlichen Stuhl. Er nannte sich
als Papst Gregor VII. und stellte es sich zur Aufgabe, rück¬
sichtslos die letzten Forderungen der Hierarchie, den noch
immer nicht allerorten geltenden Zölibat und das Verbot
') Der Lateran ist ein aus der altrömischen Zeit stammender
Palast (mit Kirche) im Südosten der Stadt Rom, der vom vierten bis
zum vierzehnten Jahrhundert Fürstensitz der Päpste war.
2) Cardinalis eigentlich = hervorragend; Kardinale waren die
ersten Priester an den achtundzwanzig Hauptkirchen Roms, sowie sieben
Diakone und sieben Bischöfe in der nächsten Umgebung der Stadt.
Auf dem Laterankonzü des Jahres 1179 wurde der Beschluß gefaßt,
daß die Wahl des Papstes von der Zustimmung der Zweidrittelmehrheit
der Kardinale unter Ausschluß aller fremden Elemente abhijjige.
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