Full text: [Teil 6, [Schülerband]] (Teil 6, [Schülerband])

— 113 — 
** 
87. Aus Goethes „Reineke fuchs.“ 
Reinekes Ankläger. 
Pfingsten, das liebliche Fest, war gekommen, es grünten und blühten 
Feld und Wald; auf Hügel und Hõöh'n, in Büschen und Hecken 
übten ein fröhliches Lied die neu ermunterten Vögel; 
jede Wiese sprobte von Blumen in duftenden Gründen; 
festlich heiter glänzte der Himmel und farbig die Erde. 
Noboel, der König, versammelt den Hof, und seine Vasallen 
eilen gerufen herbei mit grobem Gepränge. Da kommen 
viele stolze Gesellen von allen Seiten und Enden: 
Lũtke, der Kranich, und Markart, der Häher, und alle die Besten. 
Denn der König gedenkt, mit allen seinen Baronen 
hofzuhalten in Feier und Pracht; er läht sie berufen 
alle miteinander, so gut die Groben als Rleinen. 
Niemand sollte fohlen, und dennoch fehlte der eine, 
Reineke Puchs, der Schelm, der viel begangenen Prevoels 
halber des Hofs sich enthielt. So scheuet das böse Gewissen 
Licht und Tag; es scheute der Puchs die versammelten Herren. 
Alls hatten zu klagen, er hatte sie alle beleidigt, 
und nur Grimbart, den Dachs, den Sohn des Bruders, verschont er. 
* 
Isegrim aber, der Wolf, begann die Klage. Von allen 
seinen Vettern und Gönnern, von allen Freunden begleitet, 
trat er vor den König und sprach die gewichtigen Worte: 
„Gnädigster König und Herr, vernehmet meine Beschwerden! 
Edel seid Ihr und grob und ehrenvoll, jedem erzeigt Ihr 
Recht und Gnade. So laßt Euch denn auch des Schadens erbarmen, 
den ich von Reineke Fuchs mit grober Schande gelitten. 
Aber vor allen Dingen erbarmt Euch, daß er mein Weib so 
freventlich öfters verböhnt und meine Kinder verletzt hat. 
Ach, or hat sie mit Unrat besudelt, mit ätzendem Unflat, 
datß mir zu Hause noch drei in bittrer Blindheit sich quãlen. 
Zwar ist allo der Frevel schon lange zur Sprache gekommen, 
ja, ein Tag war gesetzt, zu schlichten solche Beschwerden; 
er erbot sich zum LEide, doch bald besann er sich anders 
und entwischte behend nach seiner FPeste. Das wissen 
alls Männer zu wohl, die hier und neben mir stehen. 
Herr, ich könnte die Drangsal, die mir der Bube bereitet, 
nicht mit eilenden Worten in vielen Wochen erzählen. 
Wuũrde die Leinwand von Gent, so viel auch ihrer gemacht wird,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.