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Deutsche Sagen.
fo kräftig war der Schlag. Da war.Walther waffenlos, und Hagen be-
nutzte den Vorteil. Ein Streich — und des Feindes rechte Hand war
abgeschlagen. Doch trotz des Schmerzes verlor Walter nicht den Mut,
mit der linken Hand zog er von der rechten Hüfte das kurze Schwert
und durchschnitt die Schläfe, Wange und Lippe Hagens, ja das rechte
Auge stieß er ihm aus.
Alle drei Helsen waren verwundet, alle drei sehnten sich nach Ruhe
und Frieden, der Kampf am Wasichenstein war zu Ende: Walter hatte
gesiegt. Im blutigroten Grase lagerten sie sich, Hildegunde schenkte den
letzten Wein ein, den sie aus dem Hunnenlande mitgebracht hatten. Sie
stärkten sich, reichten sich die Hände zum Abschied und trennten sich.
Fröhlich eilten Walther und Hildegunde heim nach Aquitanien,
wo sie vom alten Vater freudig begrüßt wurden, und lebten in glücklicher
Ehe noch viele Jahre. Ihr Name ist bei allen Deutschen unvergessen.
§ 14. Siegsried.
Am Niederrhein herrschte vor alten Zeiten ein mächtiger König aus
dem Wälsungenstamm, der seinen Ursprung bis auf den höchsten Gott
der Deutschen W u o t a n zurückführte. Er hieß S i e g m u n d und seine
Gemahlin S i e g l i n d e. Ihr einziger Sohn war Siegfried, der
größte Held der ganzen deutschen Sage.
Als Siegfried zu einem kräftigen und schönen Jüngling heran-
gewachsen war, gefiel es dem Tatenlustigen nicht mehr zu Hause,
Wollt' rasten nicht in Vaters Haus.
Wollt' wandern in alle Welt hinaus.
Deshalb zog er fort und gelangte eines Tages zu dem durch seine Kunst be¬
rühmten Schmied Mime, bei dem er eine Zeitlang blieb. Gern sah er
dem Schmied und seinen Gesellen bei der Arbeit zu, scherzte mit ihnen
und neckte bald diesen, bald jenen. Als er es mit dem einen Gesellen
zu arg trieb, schlug dieser mit der Zange nach ihm. Doch Siegfried gab
ihm einen so kräftigen Stoß, daß er lang hinfiel. Als Mime dies sah,
beschloß er, fortan den erst zwölfjährigen Knaben beim Schmieden zu
gebrauchen. Willig folgte Siegfried seinen Anweisungen; er sah, wie
Mime ein großes Stück Eisen ins Feuer legte, bis es weißglühend war,
wie er es dann auf den Amboß packte und ein Schwert daraus schmieden
wollte. Jetzt befahl er Siegfried, den schwersten Hammer zu nehmen
und darauf loszuschlagen