Full text: Mittelstufe (5. - 6. Schuljahr) (Teil 3, [Schülerband])

ward wie im Gotteshaus, und man gern mitgesungen hätte 
«Wach auf, mein Herz, und singe dem Schöpfer aller Dingel» Da 
kam ich an einem Acker vorüber, auf dem ein fetter Meizen eben 
in die hren trieb, und ein Halm vor dem andern sich neigte. 
Neben dem Acker stand, auf eins Hacke gestützt, ein Mann und 
schaute dem Wogen der Frucht zu. Ich grübte den Mann mit 
einem freundlichen «guten Morgen», bekam aber lange keine Ant- 
wort. Endlich, als ich schon dachte: Freund, entweder bist du 
taub oder betrũübt oder grob — da drehte er sich um und zeigte 
mir ein Gesicht, trübe wie ein Sturmabend, und zwischen den 
Zahnen murmelte er einen frosstigen Gegengrub. «Schön Wetter 
heute Morgen», sagte ich. «Jal» sagte er. «Schöner Weizen-, 
sagte ich. «Jalæ sagte eêr. «Da hat Euch der liebe Gott reich 
gesegnet», sagte ich. «Er hat gut segnen gehabt», war die Ant- 
wort, eich habe den Acker doppelt gedüngt.» Damit ging der 
Mann weiter. 
Ich sah ihm nach und dann auf den Acker, wo die vollen 
Halme sich bogen und neigten, und sah ihm wieder nach, und 
dachte bei mir selbst: «Wenn die Sonne am Morgen auf das 
Blũmlein scheint, so tutis seinen Relch auf und fängt an lieblich 
zu duften; und wenn der Tagesschein dem Vogel unterm Laub— 
dach ins Auge scheint, so tut er die klaren Gucklein auf und 
dehnt die Plügel und singt. Und wenn die Morgenluft dureh die 
Blatter fahrt, so flũstern sie alle; und das Bächlein drunter flũüstert 
aueh, und die ganze Natur redet einerlei Sprache: Sie preist ihren 
Meister. Sie duftet und singt und flüstert und weib nicht, dab 
sis damit preist. Sie sstimmt nur den Ton an, einer aber soll das 
Lied aufnehmen und es in sich fortklingen lassen, so lange Atem 
in ihm ist. Das bist du, o Menschl Dein Lied preist den Gott, 
der Himmel und Erde gemacht hat, der dieé Blumen Kleidet 
und die Tiere weidet und die Sterne schmückt und führt, und 
der ein Woblgefallen an uns hat. Und weil er uns Liebt, hat er 
uns gegeben sein Bild ins Herz und läbt uns führen von seinem 
Geist. Wer das weib und fühlt, und dann hinausgeht am Sommer- 
morgen, der sieht nur Gottes Werk um sich her, und hat er auch 
viel gearbeitet, er siebt doch nur Gottes Werk. Wor aber mit 
hängendem Haupt mitten im Werk seines Gottes stelit, der ist 
beides, ungläubig und arm. 
O. Glaubrecht.
	        
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